Halle im Palast des Podestà SZENE 1 Arminda allein N.13 Arie ARMINDA Um deine Straf' zu fühlen, riss' ich, die Wut zu kühlen, dir Bös'wicht mit Entzücken dein falsches Herz in Stücken, liebt' ich dich nicht so sehr. Lohnest du so die Liebe und meines Herzens Triebe? Ach, ich kann nicht entscheiden, ob Rach' ob Liebe siegt! (ab) SZENE 2 Nardo und Serpetta N.14 Arie NARDO Nach der welschen Art und Weise spricht man so: "Ah, quel visetto m'ha infiammato il core in petto che languire ognor mi fa!" (Serpetta gibt ihm zu verstehen, daß ihr seine Gezierheit nicht gefällt.) Bist du nicht zufrieden? Nun so hör' ein Kompliment auf gut französich! "Ah Madame, votre serviteur, ah Madame, de tout mon coeur." (Serpetta wie oben.) Und auch dies gefällt dir nicht? Nun laßt uns auf englisch seh'n. "Ah my life, pray you, say yes!" (Serpetta wie oben.) Das ist ja zum Teufelholen! Ich muß die Geduld verlieren. Weder englisch, noch französich, weder deutsch, noch italienisch, gar nichts, gar nichts steht ihr an. O das eigensinn'de Mädchen, gar nichts ist ihr recht getan! (Nardo und Serpetta gehen ab) SZENE 3 Sandrina und der Graf, später der Podestà N.15 Arie DER GRAF Laß mich ins Auge, ins Auge dir schauen! Ach wende den Blick mir zu. Ach laß in ihm mich lesen, daß du mir ganz vergeben. (Sandrina will gehen) Bleibe, sei nicht so grausam. Wie hart ist dein Gebot! (Sandrina fordert ihn auf, fortzugehen) Ich gehe, vergiß dein Zürnen. Wie hart ist dein Gebot! Doch eh' ich mich erferne, laß mich das Glück genießen, die schöne Hand zu küssen, dann geh' ich gern in den Tod! Ach, welche Lust empfinde ich! O schöne Hand, ich küsse dich! Der Venus wahres Ebenbild. (Der Podestà ist unbemerkt aufgetreten. Als der Graf die Hand Sandrinas nehmen will, ergreift er die des Podestà) Mein Herr, mich freut, Sie hier zu sehen. Befinden Sie sich wohl? (So muß mir diese Streich gescheh'n! Daß ihn der Teufel hol!) (ab) SZENE 4 Der Podestà und Sandrina N.16 Arie SANDRINA Es ertönt und spricht ganz leise hier im Herzen eine Stimme: Dein Gebieter, wirst du finden, ist ganz Großmut, Lieb' und Huld! Scheint auch schon sein Blick voll Grimme, o so hegt er doch Beweise sanften Mitleids und Geduld. Ach, er flieht mich, will nicht hören, läßt mich seinen Zorn empfinden. Angst und Kummer mich verzehren, und bald werd' ich nicht mehr sein! Holde Mädchen, habt Erbarmen, und wenn euch mein Unglück rühret und ihr reges Mitleid spüret, so gewähret doch mir Armen euren Trost, mich zu erfreu'n! (ab) SZENE 5 Der Podestà, dann Ramiro N.17 Arie DER PODESTÀ Wie? Was? ein Fräulein? und meine Nichte? Reich, schön von Angesicht! von hohem Stande! Wie? diese sollt' ich nun traurig sehen? Nein, diese Heirat kommt gar nicht zustande und aller Ehvertrag ist null und nichtig. Ja, ja, so muß es sein, nun dann, es sei! Man würd' mich tadeln im ganzen Lande. Für einen Amtmann wär's ewig Schande. Deutschlands und Spaniens und Frankreichs Dichter, mich, einen Edelmann, mich, einen Richter, würden sie schelten in der Geschicht'! Spart eure Worte! alles ist richtig. Ja, ja, so muß es sein, es bleibt dabei! (ab) SZENE 6 Ramiro allein N.18 Arie RAMIRO Ach, schmeichelhafte Hoffnung, Gefährtin treuer Liebe, du stärkest miene Triebe und tröstest mich allein. Dir bin ich ganz ergeben, dir danke ich mein Leben, nur du kannst die Belohnung jetzt meiner Treue sein. (ab) SZENE 7 Der Podestà, Arminda und der Graf, später Sandrina SZENE 8 Der Graf allein N.19 Rezitativ und Arie DER GRAF Verweil doch und hör' mich! Sie geht und stößt mich von sich. Nun, sie gehe! Doch sachte! Was ist mir? Die Erde wanket! Ein schwarzer Nebel umdunkelt schon meine Blicke! Ist's Sturm? sind's Schatten? Die Nacht kommt, wie schaurig! Arminda! Violante! Wollt ihr denn meinen Tod? Nur zu, meine Schönen! Ich erleide ihn gern! Jedoch, ihr weinet? Wozu denn diese Tränen? Ich sterbe gern! Hört den Donner, seht die Blitze! Ihr schleudert sie suf mich herab! O wie dank ich die, gütiger Himmel! O hilf, von dir nur erwarte ich Rettung. Freunde, Geliebte! beweint mich! Lebt wohl für immer! Schon erstarren meine Glieder, und der Schmerz drückt mich darnieder! Kaum mehr fühl ich, daß ich lebe, daß ich zitt're! O welches Bange! Von der Strine auf die Wangen rinnet der kalte Schweiß herab. Aber nein, ich darf noch leben, schau empor und fasse Mut. Und die Augen! O ja, ich sehe! Und auch hör' ich, in der Nähe, holden Zephyrus sanftes Wehen! Ist dort etwa Endes Garten? Darf ich? Nein, ich muß noch warten! Aber stille! stille! stille! Die Winde brausen! Die Bäche sausen! Leise kosend durch die Blätter will die Sonne mir verkünden: Komm, es naht ein neuer Tag. Welche Freude! welch Entzücken! Ich kann mich regen und bewegen, tanzen, singen, hüpfen, springen. Mit frohem Herzen kann ich nun scherzen. Welch eine Freude! Vergnügter Tag! (ab) SZENE 9 Serpetta und der Podestà N.20 Arie SERPETTA Wer will die Welt genießen, der schweig' zu allem still! Er laß sich nichts vedrießen, es komme, wie es will! Die Mädchen sollten redlich sein und laut're Herzen haben, so aufrichtig sein wie ehrlich, ja ehrlich sein. Doch nützen diese Gaben bei Männern nun nicht mehr! Jetzt muß man sein verschlagen, gleichgültig alles tragen, sich dumm und sittsam stellen, die Narren wacker prellen, sie foppen hin und her! Von allen diesen Pflichten muß man sich unterrichten und nützen jede Lehr! (ab) SZENE 10 Verlassener Ort in bergiger Gegend Sandrina ängstlich und zitternd; man sieht verschiedene Gestalten eilends fliehen. N.21 Arie SANDRINA Ach haltet, Barbaren, ach haltet, o Gott! ach haltet, o Himmel! ach haltet, Barbaren! Wie könnt ihr mich verlassen? Ach! reichet Hilf' mir Armen! Wie wird es mir ergeh'n? Ach Himmel! Ach Erbarmen! Es ist um mich gescheh'n. Nur der Tod ist mein Hoffen! Himmel, soll ich erliegen meinem schrecklichen Schiksal? Grausam verlassen von dem innig Geliebten, von ihm verhöhnet! Ach, was soll ich beginnen? Dem Schmerz muß ich erliegen! Zu groß sind meine Leiden! Wohin soll ich mich wenden, um Hilfe zu erspähhen an diesem Schreckensorte! Es ist vergebens! Mein Hoffen ist dahin! Ich bin verloren! N.22 Kavatine SANDRINA Ach! vor Tränen, Schluchzen, Seufzen kann ich kaum mehr Atem fassen! Sprach' und Stimme mich verlassen und es schwindet alle Kraft. Rezitativ Schenke, gütige Vorsicht, mir dein Erbarmen! Lind're die bitt're Schmerzen! Lasse mich nicht verzagen! Ha, wer nahet sich? Soll ich entfliehen oder bleiben? Verzweiflungsvolle Lage! Wer mag kommen? O Gott, mir fehlen Kräfte, um zu fliehen! Wohin bergen? O Himmel! Ha, da erblick ich die Höhle! Dies sei der Schutzort dieser traurigen Stunde! Da hinein will gehen. Und du, güt'ge Gottheit! ach, schütze mein Leben. (Sie sucht schutz in einer Höhle) SZENE 11 Der Graf und Nardo; die Vorige, dann Arminda, darauf der Podestà und Serpettam schließich Ramiro N.23 Finale DER GRAF Hier in diesen Finsternissen, in den Felsen, ach, ich bitte, Nardo, leite meine Schritte, denn ich weißicht aus noch ein. NARDO O wie schrecklich ist die Wildnis! Nun so laßt uns sachte gehen. Hier ist wohl der Ort zu sehen, wo man sie noch finden kann. SANDRINA In der Näh' dünkt mich zu hören ein Geräusch, das mich erschrecket, das mir Furcht und Angst erwecket, Himmel, ach, erhör mein Fleh'n! ARMINDA Hier in diesen finstern Wald ist gewiß mein Graf gekommen, von Verzweiflung eingenommen, seiner Gattin nachzugeh'n. DER GRAF Ein Geräusch hab ich vernommen. SANDRINA Nein, ich will von hier nicht weichen! NARDO Ich will näher hin mich schleichen. ARMINDA Mich dünkt, hier etwas zu hören. SANDRINA, ARMINDA, DER GRAF, NARDO Laßt uns seh'n, was hier geschieht. DER PODESTÀ Hier in diesen Finsternissen muß ich Schritt vor Schritte gehen und die Straßen nicht versehen, sonst brech' ich mir Hals und Bein! SERPETTA Heimlich hab' ich mich beflissen, in der Stille her zu schleichen, meine Absicht zu erreichen und auf meiner Hut zu sein. DER GRAF Wer ist da? SANDRINA O welch ein Unglück! DER PODESTÀ Geht hier jemand? SERPETTA O selt'ner Zufall! NARDO Geht nicht weiter! ARMINDA O welcher Schrecken! SANDRINA, SERPETTA, ARMINDA, DER GRAF, DER PODESTÀ, NARDO Welch Getöse, welches Lärmen, wär' ich doch nur weit von hier! DER PODESTÀ (zu Arminda, die er für Sandrina hält) Bist du's, mein lieb' Sandrinchen? ARMINDA (zum Podestà, den sie für den Grafen hält) Ja, die bin ich! (Das ist der Graf.) DER GRAF (zu Serpetta, die er für Sandrina hält) Meine reizende Sandrina! SERPETTA (zum Grafen, den sie für den Podestà hält) Ja, die bin ich! (Das ist der Amtmann!) NARDO (zu Sandrina) Sind Sie nicht die gnäd'ge Gräfin? SANDRINA Dies ist Nardo, ich bin ruhig! SANDRINA, SERPETTA, ARMINDA, DER PODESTÀ, DER GRAF, NARDO Welche Freude, welch' Entzücken, was ich suchte, ist nun mein! RAMIRO (aus dem Hintergrund) Nun, ihr Freunde! bleibt hier stehen, doch laß von euch sich keiner sehen, bis es endlich Zeit wird sein. DER PODESTÀ Kommen Leute? ARMINDA Wie? was hör' ich? DER GRAF Sag, wer bist du? SERPETTA Wer verbirgt mich? NARDO Geh zurücke! SANDRINA Ich bin verloren! RAMIRO (tritt auf, zu Arminda) Nun wird alles aufgeklärt! DER PODESTÀ Laßt uns gehen! ARMINDA Ich bin's zufrieden! DER GRAF (zu Serpetta) Geh'n wir noch weiter? SERPETTA Es ist das beste. NARDO Was tun wir? SANDRINA Weh mir, ich zitt're! SANDRINA, SERPETTA, ARMINDA, DER PODESTÀ, DER GRAF, NARDO Ach, ich möcht' vor Angst vergeh'n, länger ist's nicht auszusteh'n! RAMIRO (wieder im Hintergrund) Holla, Freunde, laßt euch sehen, kommt geschwind und hurtig her! Ich erfreu' mich des Vergnügens, so das Glück hat euch beschert. (Alle sind erstaunt und betrachten sich verwundert) DER GRAF Du, Serpetta? SERPETTA Sie, der Graf? DER PODESTÀ Meine Nichte? ARMINDA Der Podestà? SANDRINA, SERPETTA, ARMINDA, DER PODESTÀ, DER GRAF, NARDO O verwünschtes Überraschen, alle steh'n wir hier beschämt! ARMINDA (zum Podestà) Hier ist ein Irrtum, dort ist die Schöne. SANDRINA (zu Nardo) Ach, wie Sie scherzen, ich bin nicht jene. SERPETTA (zum Grafen) Ha, wie Sie irren, dort ist die Närrin. DER PODESTÀ, DER GRAF, NARDO Da sind wir alle schön angelaufen, was ist zu machen, 's ist einmel so. ARMINDA (zum Grafen) Falscher Verräter, du mich betrügen? Giftige Rache sollst du fühlen! DER PODESTÀ (zu Sandrina) Warte, Nichtswürd'ge, ich will dich strafen! Ja, du sollst meinen Zorn empfinden! SANDRINA O weh! ich wanke! das Haupt mir chwindelt, unter den Füßn die Erde weicht. NARDO (zu Serpetta) Dieses dein Schmeicheln ist hier vergebens. SERPETTA (zu Nardo) Das soll dich Nerren wenig bekümmern. RAMIRO (zu Arminda) Ach, deine Strenge kann ich nicht fassen! ARMINDA (zu Ramiro) Dich werd' ich fliehen und ewig hassen! SANDRINA, DER GRAF Wie stürmt der Himmel! welche schwarze Wolken! Mich schaudert, ich zitt're! erstarre! und bebe! Jetzt schon ergreift mich ein toller Wahn! SERPETTA, ARMINDA, RAMIRO, DER PODESTÀ, NARDO Ach, der Verdruß macht mich fast rasend, das Herz fängt schnell zu schlagen an! SANDRINA Hörst du nicht, mein Tirsis? Von ferne ertönen die Zaubergesänge der holden Sirennen. Sie Laden uns ein zu erquickender Ruh'. DER GRAF Hör', Kloris, die Leier des Orpheus sanft klingen, die Felsen bewegt und die Bestien bezwinget! der Schiffer im Weltmeer hält still und hört zu. SANDRINA, DER GRAF O sanftes Entzücken, o himmlisches Lust! DER PODESTÀ (zum Grafen) Herr, mit Ihnen hab' ich zu sprechen! Ich muß diese Unbill rächen! Auf Pistolen lad' ich Sie! RAMIRO (zum Grafen) Nur geschwind, mein Herr, wir gehen! Warum bleiben Sie noch stehen? Uns're Klingen messen wir! ARMINDA Wo wollt ihr hin? Ach bleibet doch! SERPETTA, NARDO Was soll denn dieses Lärmen noch? RAMIRO, DER PODESTÀ Kaum kann ich mich noch halten vor Wut und Raserei. SANDRINA Ich bin Medusa! Kennt ihr mich? DER GRAF Ich bin Alcid, fort, packe dich! SANDRINA, DER GRAF Herzige Nymphen, kommet doch! Fliehet die Tyrannei! ARMINDA Ich glaube gar, sie schwärmen. DER PODESTÀ Ja, ja, mich dünkt, sie schwärmen. RAMIRO, NARDO Sagt doch, was dies bedeute! SANDRINA Nur nicht so nah, ihr Leute! SANDRINA, DER GRAF Holla! kein solches Lärmen! Wollt ihr uns sehen weinen? Seid doch so grausam nicht! SERPETTA, ARMINDA, DER PODESTÀ, NARDO Fürwahr, sie sind von Sinnen! Wahnsinnig, und ganz toll! RAMIRO (zu Arminda) Zu so großen Unglück hast du den Grund gelegt. SANDRINA, DER GRAF Ach,ist denn niemand, o Gott, ist denn niemand, den meine Pein bewegt? SERPETTA, ARMINDA, RAMIRO, DER PODESTÀ, NARDO Welch seltener Zufall! Welch trauriges Schiksal! Der Wahnsinn, die Tollheit ergreifen sie ganz. SANDRINA, DER GRAF O lachende Freude, man wird uns beneiden. Die lustig Musik uns locket zum Tanz.
contributed by Camila Argôlo Freitas Batista
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Thursday, 17-Oct-2002 02:25:08 PDT