Lieblicher Garten mit einer breiten Treppe vor dem Palast des Podestà. SZENE 1 Der Podestà, Ramiro und Serpetta, Sandrina und Nardo, Gärtner und Gärnterin N.1 Introduktion CHOR Welches vergnügen, welch frohe Tage, welch shöne Gegend, welch frohe Tage, Wonne und Liebe verbreiten sich hier! RAMIRO Verbog'nes Leiden macht mich verzagen, mein Herz empfindet stets neue Plagen, Freud' und Zufriedenheit fliehen von mir. DER PODESTÀ Das schönsten Mädchen sich zu gewinnen, liebliche Lieder ihr zu ersinnen, nur für Sandrinen mein Herz ist bewahrt. SANDRINA Ach, welche Schwermut drückt meine Seele, daß ich mit Sorgen mein Herz nur quäle, Verfolgt das Schiksal wohl jemand so hart? NARDO (aus Serpetta deutend) Sie widerstrebt, mich nur anzusehen. Auf Weibertreue ist nicht zu gehen, das ist ja männiglich gar wohl bekannt. SERPETTA In diese Buhlerin ist er vernarret, steht unbeweglich da und fast erstarret. (auf den Podestà deutend) Sollt' er betrügen mich, quäl ich ihn tot. RAMIRO Mein bittres Leiden muß ich verhehlen. DER PODESTÀ Gutes Sandrinchen, nichts soll dich quälen. SANDRINA So viel Holdseligkeit bin ich nicht wert. RAMIRO Wird sich wohl enden mein herbes Leiden? DER PODESTÀ Von dieser Schönheit kann ich nicht scheiden. SERPETTA Der Männer Falschheit ist ganz unerhört. CHOR Welches vergnügen, welch frohe Tage, welch shöne Gegend, welch frohe Tage, Wonne und Liebe verbreiten sich hier! N.2 Arie RAMIRO Scheu ist das freie Vöglein, wenn es dem Netz entschlüpfet, flattert und singt und hüpfet zum zweitenmal hinein. O, was das Netz dem Vogel, bist du dem Herzen, Liebe! Bald scheu'n wir deine Triebe, bald sind wir wieder dein! (ab) SZENE 2 N.3 Arie DER PODESTÀ Zu meinem Ohr erschallet das liebliche Ertönen der Flöte und Oboe daß Lust mich ganz durchwallet. durchbebt von süßen Weh! Doch wie, was muß ich hören, welch schwarze Harmonie, die mich erzittern macht! Es sind ja nur die Brastchen mit düst'rer Melodie, die mich in Angst gebracht. Nun kommt ein großes Lärmen von Pauken und Trompeten, von Bässen und Fagotten, das mich fast närrisch macht.. (ab) SZENE 3 N.4 Kavatine SANDRINA Wir Mädchen sind sehr übel dran und haben wenig Freuden. Die Männer tun uns heutzutag Gewalt und Unrecht an, wenn sie gleich mit Gefühlen von Lieb' und Ehre spielen, uns heute Treu versprechen und morgen wieder brechen. Und was hat es zu sagen, wer nennt es ein Vergeh'n? Wenn mit Gefühlen gleich Männer spielen, was hat es denn zu sagen? wer nennt das ein Vergeh'n? Allein wenn wir zuweilen nun gleiche Münz austeilen, so tönen laute Klagen, so ist's um uns gescheh'n! Ach, wie übel sind wir dran! Wir armen guten Mädchen, wir haben wenig Freuden, denn nichts als Unrecht, nichts als Gewalt tun heutzutag die Männer uns nur an! (ab) SZENE 5 N.5 Arie NARDO Der Hammer zwingt das Eisen, erweicht durch Feuerhitze, der Marmor läßt sich formen durch scharfe Meißelspitze! Doch wer kann mir erweisen, daß Hammer oder Eisen, daß selbst das Liebesfeuer hab' jemals überwunden der Weiber Eigensinn? Sind wir nicht alle Narren, recht blinde, dumme Narren, betrogen durch die Weiberlist? Verachtet sie, verspottet sie, verlachet sie und fliehet sie, sie sind kein' Teufel wert. (ab) SZENE 6 N.6 Arie DER GRAF Welch ein Reiz in diesem Bilde, welch ein Blick voll Glut und Milde! So strahlt nimmer die Morgensonne. Ach, noch immer voll von Wonne, trau ich meinen Augen kaum. N.7 Arie ARMINDA Wenn die Männer sich verlieben, schwören sie sehr leicht die Treu, und durch schmeichelndes Entzücken läßt ein Mädchen sich berücken, glaubt geschwind, daß es so sei. Sie glaubt es, doch bei mir geht es nicht so. Vor muß alles richtig stehen, eh' ich sag ja oder nein. Sie allein nur sind mein Leben, Ihnen will ich mich ergeben. Wenn Sie aber mich belügen, nach der Mode mich betrügen, räch' ich mich mit eig'ner Hand. (ab) SZENE 7 N.8 Arie DER GRAF Hier vom Osten bis zum Westen, dort vom Süden bis zum Norden ist schon längst bekannt geworden unser hochberühmtes Haus. Ich hab Güter, Lehensträger, Städte, Döfter, große Schwäger. Fürsten, Grafen, Generalen, Kaiser, König, Admiralen, Diktatoren, Bürgermeister, Helden Roms und große Geister zählt mein Stammbaum ohne Zahl! Doch zum Teufel! Warum lacht ihr? Welche Zweifel? Wollt ihr sie sehen? Hier ist Numa, dort ist Scipio, Marc Aurel und Marc Agrippa, Mutio Scaevola und der Cato. Auch der große Alexander ist mein nächster Anverwandter. Mit der größten Ehrfurcht bücket euch, nur geschwind bald hin, bald her. (Der Graf und der Podestà gehen ab) SZENE 8 N.9a Kavatine SERPETTA Das Vergnügen in dem Eh'stand möcht' ich gerne bald erfahren, doch ein Mann, der schon bei Jahren, taugt in Wahrheit nicht für mich. N.9b Kavatine NARDO Das Vergnügen in dem Eh'stand wünschest du bald zu erfahren, doch ein Mann noch jung von Jahren taugt in Wahrheit nicht für dich. N.10 Arie SERPETTA Sobald sie mich sehen, so sind sie gefangen. Sie rennen und laufen, mein Herz zu erlangen. Von Liebe berücket, der stets um sich blicket und ruft immer da, und ein anderer dort: Bewundert die Augen des englischen Kindes; wie artig, wie lebhaft, ihr Anstand und Farbe, mich rühret die Schöne, wenn ich sie betracht'. Ich schlage die Augen ganz züchtig darnieder, und schweige zu allem, im Stillen bedacht. (Serpetta und Nardo gehen ab) SZENE 9 N.11 Arie SANDRINA Ferne von ihrem Neste, irrend auf fremden Heiden, sehnt sich nach Ruh' und Freuden die sanfte Turteltaube, girret und klagt ihr Leid. SZENE 10 N.12 Finale Der Graf und Sandrina DER GRAF (nähert sich Sandrina) Himmel, bin ich von Sinnen? Violante! sie lebt noch? o Schmerz! Ängstlich bebt mein Herz! Ach, neue Pein und Schmerz! SANDRINA (In der Ohnmacht bewegt sie sich, fällt dann wieder in die Ohmacht zurück) Ach, Undankbarer, sehe mich aus Liebe sterben. DER GRAF Die Stimme Violantes und auch Violantes Züge! Doch was soll diese Kleidung? Ich könnte mich noch irren, ich muß sie näher sehn. SANDRINA (kommt wieder zu sich) Ach, daß über mich Arme der Himmel sich erbarme! DER GRAF Ja, ja, sie ist es, sie ist es wirklich! Mir schwindet aller Mut. SANDRINA (bemerkt den Grafen) Was seh' ich? Der Graf? O Himmel! SZENE 11 Arminda, Ramiro und Vorige ARMINDA (kommt mit einem Riechfläschen) Nehmet hier Balsam sulfuris. RAMIRO Herr Graf, mit Ihrer Erlaubnis... ARMINDA Ramiro! RAMIRO Arminda! ARMINDA, RAMIRO (Was werd' ich tun?) DER GRAF (heimlich zu Sandrina) Sag mir, wer bist du? SANDRINA (Was sag ich?) RAMIRO (zu Arminda) Grausame! ARMINDA (Was zu tun?) SANDRINA, ARMINDA, RAMIRO, DER GRAF O unerhörtes Schiksal! Dieser verdammte Zufall quälet mich fast zu Tod! DER GRAF (Voller Zweifel steh' ich schwankend, weiß nicht, ob ich wachend träume. All mein Denken ist verwirrt.) SANDRINA (Ich empfind' in meinem Herzen unermeßlich, bitt're Schmerzen, die mich weinen, seufzen machen.) RAMIRO (Meine Sinne sind betöret, von dem Zufall ganz zerstöret. Ich verliere den Verstand!) ARMINDA (Ich weiß nicht, was hier geschehen, meine Sinne mir vergehen, zitternd, bebend steh' ich da.) SANDRINA, ARMINDA, RAMIRO, DER GRAF (Meine Ruhe ist ganz verschwunden, mir stockt jedes Wort im Mund.) SZENE 12 Der Podestà und Vorige DER PODESTÀ Welche Stille, welche Mienen! Macht ihr etwa hier Kalender? (zu Sandrina) hast du deine Sprach' verloren? Ist der Mund dir zugefronen? (zu allen) Nun, so sprecht, was geht hier vor? SANDRINA (Kann ich's sagen?) DER GRAF (Kann ich's wagen?) RAMIRO (Welche Frage!) ARMINDA (Ich verzage!) DER PODESTÀ Alles ist mir unbegreiflich! Hier ist etwas vorgegangen, mit der Sprache nur heraus! RAMIRO, DER GRAF (jeweils zu Arminda bzw. Sandrina) Bist du diese? SANDRINA, ARMINDA (jeweils zum Grafen bzw. Ramiro) Bist du jener? SANDRINA, ARMINDA, RAMIRO, DER PODESTÀ, DER GRAF Mein Verstand ist ganz verwirret, ängstlich pochet mir das Herz! (Alle außer dem Podestà ab) SZENE 13 Der Podestà, dann Serpetta und Nardo DER PODESTÀ Wo ist die die Ehrfurcht, die mir gebühret? Mich, den Hochweisen, der alles regieret, läßt man hier stehen wie einen Narr'n! Gehet zum Teufel, macht mir nicht bange. Ich will nichts wissen von eurem Range, von Despotismus und Adelstand! (wird im Abgehen von Serpetta aufgehalten) SERPETTA Lustig, ich bringe Euch hübsche Nachricht: Das Gärtnermädchen mit ihrem Grafen küssen und kossen, unten im Garten, mit aller Freiheit, ruhig und still. DER PODESTÀ Teufel und Hölle! Das sollt' ich leiden! (will abgehen, wird jedoch von Nardo aufgehalten) NARDO Glaubt nicht an die Lügen des losen Mädchens, sie will euch schicken in den April! SERPETTA Hier diese Augen, hier diese Ohren muß es sehen, konnten es hören! NARDO Schreckliche Lügen, sie zu betören. DER PODESTÀ Gleich überzeuget mich! SERPETTA Kommt nur mit mir! DER PODESTÀ Gleich überzeuget mich! NARDO Kommt nur mit mir! SERPETTA Mit mir! NARDO Mit mir! SERPETTA Er kann nur lügen! NARDO Und sie betrügen! DER PODESTÀ Quäle mich tot, widriges Schiksal! Sehet verspottet und hintergangen jenen berühmten Mann, den Podestà! SERPETTA, DER PODESTÀ, NARDO Wir wollen gehen und nun gleich sehen. Die Wahrheit zeiget sich dort oder da. SZENE 14 Sandrina und der Graf, denn der Podestà. Serpetta und Nardo auf der einen Seite in beobachtender Haltung, Arminda und Ramiro auf der anderen Seite. SANDRINA (zum Grafen) Was ist denn Ihr verlangen? Ich bin genug gequälet! Sie haben schon gewählet Armindas schöne Hand. DER GRAF (zu Sandrina) Laß dich erbitten, rede, so sag' das eine Wort mir! Sag', bist du Violante, der ganz mein Herz gehöret? SERPETTA (zum Podestà, indem sie auf Sandrina und den Grafen zeigt) Sie seh'n, mit welcher Zärtlichkeit Die Heuchlerin ihm schmeichelt. DER PODESTÀ Ich seh' es! daß sie erblasse! Ich räche mich an ihr. NARDO (Der Graf! ach welch ein Zufall! Wie helf' ich ihr heraus?) SANDRINA (zum Grafen) Sie sind in großer Irrung! DER GRAF (Himmel, welch eine Verwirrung!) ARMINDA (zu Ramiro) Ihr' Hinterlist und Meineid hat Ihren Stand entehrt! RAMIRO (zu Arminda) Das Herz, das Sie belebet, nur schwarze Falschheit nährt. SANDRINA (entschlossen zum Grafen) Grausamer! ohne Schonen kann man so schlecht belohnen mein zärtlich treues Herz? Nenne mir mein Verbrechen, dann magst deich an mir rächen, Fühlloser ohne Ehre! DER GRAF Alles ich längst bereute! Teure, ach verzeihe! Himmlische Violante! SANDRINA Himmlische Violante! Nun aber ist Violante, das arme Kind dahin! O Himmel! Sie ist tot! (Der Graf kniet vor Sandrina nieder; in dieser Haltung wird er von den anderen überrascht.) DER PODESTÀ Gebt mir Antwort! ARMINDA Sprecht nur wieter! RAMIRO Graf, hübsch munter! SERPETTA Nicht gezittert! NARDO (Wo will alles die hinaus?) SANDRINA (Alles muß ich schweigend dulden!) DER GRAF (Ach, sie büßet mein Verschulden.) SERPETTA, ARMINDA, RAMIRO, DER PODESTÀ, NARDO Alles schweigen, was geschieht? ARMINDA (ironisch zum Grafen) Graf, die Lieb' wird sie verzehren! DER PODESTÀ (ironisch zu Sandrina) Solche Einfalt muß man ehren! RAMIRO (ironisch zu Arminda) Ich erfreue mich mit Ihnen! SERPETTA (ironisch zu Sandrina) Welche unschuldsvolle Mienen! SERPETTA, ARMINDA, DER PODESTÀ Lebt vergnügt, verliebte Seelen! SERPETTA, RAMIRO, NARDO Niemals soll ein Geist eich quälen. ARMINDA, SERPETTA, RAMIRO, DER PODESTÀ, NARDO Steigt herab, ihr Liebesflammen, und verbrennt zu Staub ihr Herz! SANDRINA, DER GRAF, DER PODESTÀ, NARDO Über mich schlägt hier zusammen alles Unglück und aller Schmerz. ARMINDA (zornig zum Grafen) Unmensch, Verbrecher, Verräter! Könnt ich dein Herz in Stücke zerreißen! RAMIRO Den großen Eifer und ihre Hitze begreif' ich nicht. DER PODESTÀ (wütend zu Sandrina) Kannst meine Güte so wenig schätzen? SERPETTA (auf Sandrina deutend) Könnt' ich sie aus dem Haus mit Hunden hetzen! NARDO Bei diesen Handel die Frag' mir gebricht. SANDRINA Ach, welches Herzenleid! Ach, welches Unglück! Was kann ich sagen? niedergeschlagen von solchen Herzenleid und solchen Schmerz! DER GRAF Welch set'nes Abenteuer! Welche Szene! Ich lieb' die Eine, lieb' auch die And're... Doch ich kann einer nur schenken mein Herz. SANDRINA, SERPETTA, ARMINDA, RAMIRO, DER GRAF, DER PODESTÀ, NARDO Welche Verwirrung ohn' alle Rettung! Der Zorn zernaget mit das Herz im Busen. Nichts dämpfet diese Glut, nichts hemmt die Wut!
contributed by Camila Argôlo Freitas Batista
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Thursday, 17-Oct-2002 02:25:02 PDT