Die Gärtnerin aus Liebe, K.196

Erster Akt

Akt I | Akt II | Akt III

Lieblicher Garten mit einer breiten Treppe vor dem Palast des Podestà.

SZENE 1
Der Podestà, Ramiro und Serpetta, Sandrina und Nardo, Gärtner und
Gärnterin

N.1 Introduktion

CHOR
Welches vergnügen, welch frohe Tage,
welch shöne Gegend, welch frohe Tage,
Wonne und Liebe verbreiten sich hier!

RAMIRO
Verbog'nes Leiden macht mich verzagen,
mein Herz empfindet stets neue Plagen,
Freud' und Zufriedenheit fliehen von mir.

DER PODESTÀ
Das schönsten Mädchen sich zu gewinnen,
liebliche Lieder ihr zu ersinnen,
nur für Sandrinen mein Herz ist bewahrt.

SANDRINA
Ach, welche Schwermut drückt meine Seele,
daß ich mit Sorgen mein Herz nur quäle,
Verfolgt das Schiksal wohl jemand so hart?

NARDO
(aus Serpetta deutend)
Sie widerstrebt, mich nur anzusehen.
Auf Weibertreue ist nicht zu gehen,
das ist ja männiglich gar wohl bekannt.

SERPETTA
In diese Buhlerin ist er vernarret,
steht unbeweglich da und fast erstarret.
(auf den Podestà deutend)
Sollt' er betrügen mich, quäl ich ihn tot.

RAMIRO
Mein bittres Leiden muß ich verhehlen.

DER PODESTÀ
Gutes Sandrinchen, nichts soll dich quälen.

SANDRINA
So viel Holdseligkeit bin ich nicht wert.

RAMIRO
Wird sich wohl enden mein herbes Leiden?

DER PODESTÀ
Von dieser Schönheit kann ich nicht scheiden.

SERPETTA
Der Männer Falschheit ist ganz unerhört.

CHOR
Welches vergnügen, welch frohe Tage,
welch shöne Gegend, welch frohe Tage,
Wonne und Liebe verbreiten sich hier!

N.2 Arie

RAMIRO
Scheu ist das freie Vöglein,
wenn es dem Netz entschlüpfet,
flattert und singt und hüpfet
zum zweitenmal hinein.

O, was das Netz dem Vogel,
bist du dem Herzen, Liebe!
Bald scheu'n wir deine Triebe,
bald sind wir wieder dein!
(ab)

SZENE 2

N.3 Arie

DER PODESTÀ
Zu meinem Ohr erschallet
das liebliche Ertönen
der Flöte und Oboe
daß Lust mich ganz durchwallet.
durchbebt von süßen Weh!

Doch wie, was muß ich hören,
welch schwarze Harmonie,
die mich erzittern macht!
Es sind ja nur die Brastchen
mit düst'rer Melodie,
die mich in Angst gebracht.
Nun kommt ein großes Lärmen
von Pauken und Trompeten,
von Bässen und Fagotten,
das mich fast närrisch macht..
(ab)

SZENE 3

N.4 Kavatine

SANDRINA
Wir Mädchen sind sehr übel dran
und haben wenig Freuden.
Die Männer tun uns heutzutag
Gewalt und Unrecht an,
wenn sie gleich mit Gefühlen
von Lieb' und Ehre spielen,
uns heute Treu versprechen
und morgen wieder brechen.
Und was hat es zu sagen,
wer nennt es ein Vergeh'n?
Wenn mit Gefühlen
gleich Männer spielen,
was hat es denn zu sagen?
wer nennt das ein Vergeh'n?

Allein wenn wir zuweilen
nun gleiche Münz austeilen,
so tönen laute Klagen,
so ist's um uns gescheh'n!
Ach, wie übel sind wir dran!
Wir armen guten Mädchen,
wir haben wenig Freuden,
denn nichts als Unrecht,
nichts als Gewalt
tun heutzutag die Männer uns nur an!
(ab)

SZENE 5

N.5 Arie

NARDO
Der Hammer zwingt das Eisen,
erweicht durch Feuerhitze,
der Marmor läßt sich formen
durch scharfe Meißelspitze!
Doch wer kann mir erweisen,
daß Hammer oder Eisen,
daß selbst das Liebesfeuer
hab' jemals überwunden
der Weiber Eigensinn?

Sind wir nicht alle Narren,
recht blinde, dumme Narren,
betrogen durch die Weiberlist?
Verachtet sie, verspottet sie,
verlachet sie und fliehet sie,
sie sind kein' Teufel wert.
(ab)

SZENE 6

N.6 Arie

DER GRAF
Welch ein Reiz in diesem Bilde,
welch ein Blick voll Glut und Milde!
So strahlt nimmer die Morgensonne.
Ach, noch immer voll von Wonne,
trau ich meinen Augen kaum.

N.7 Arie

ARMINDA
Wenn die Männer sich verlieben,
schwören sie sehr leicht die Treu,
und durch schmeichelndes Entzücken
läßt ein Mädchen sich berücken,
glaubt geschwind, daß es so sei.
Sie glaubt es,
doch bei mir geht es nicht so.
Vor muß alles richtig stehen,
eh' ich sag ja oder nein.
Sie allein nur sind mein Leben,
Ihnen will ich mich ergeben.
Wenn Sie aber mich belügen,
nach der Mode mich betrügen,
räch' ich mich mit eig'ner Hand.
(ab)

SZENE 7

N.8 Arie

DER GRAF
Hier vom Osten bis zum Westen,
dort vom Süden bis zum Norden
ist schon längst bekannt geworden
unser hochberühmtes Haus.
Ich hab Güter, Lehensträger,
Städte, Döfter, große Schwäger.
Fürsten, Grafen, Generalen,
Kaiser, König, Admiralen,
Diktatoren, Bürgermeister,
Helden Roms und große Geister
zählt mein Stammbaum ohne Zahl!
Doch zum Teufel! Warum lacht ihr?
Welche Zweifel? Wollt ihr sie sehen?
Hier ist Numa, dort ist Scipio,
Marc Aurel und Marc Agrippa,
Mutio Scaevola und der Cato.
Auch der große Alexander
ist mein nächster Anverwandter.
Mit der größten Ehrfurcht bücket euch,
nur geschwind bald hin, bald her.
(Der Graf und der Podestà gehen ab)

SZENE 8

N.9a Kavatine

SERPETTA
Das Vergnügen in dem Eh'stand
möcht' ich gerne bald erfahren,
doch ein Mann, der schon bei Jahren,
taugt in Wahrheit nicht für mich.

N.9b Kavatine

NARDO
Das Vergnügen in dem Eh'stand
wünschest du bald zu erfahren,
doch ein Mann noch jung von Jahren
taugt in Wahrheit nicht für dich.

N.10 Arie

SERPETTA
Sobald sie mich sehen,
so sind sie gefangen.
Sie rennen und laufen,
mein Herz zu erlangen.
Von Liebe berücket,
der stets um sich blicket
und ruft immer da,
und ein anderer dort:
Bewundert die Augen
des englischen Kindes;
wie artig, wie lebhaft,
ihr Anstand und Farbe,
mich rühret die Schöne,
wenn ich sie betracht'.
Ich schlage die Augen ganz züchtig darnieder,
und schweige zu allem, im Stillen bedacht.
(Serpetta und Nardo gehen ab)

SZENE 9

N.11 Arie

SANDRINA
Ferne von ihrem Neste,
irrend auf fremden Heiden,
sehnt sich nach Ruh' und Freuden
die sanfte Turteltaube,
girret und klagt ihr Leid.

SZENE 10

N.12 Finale
Der Graf und Sandrina

DER GRAF
(nähert sich Sandrina)
Himmel, bin ich von Sinnen?
Violante! sie lebt noch? o Schmerz!
Ängstlich bebt mein Herz!
Ach, neue Pein und Schmerz!

SANDRINA
(In der Ohnmacht bewegt sie sich, fällt dann wieder in die Ohmacht
zurück)
Ach, Undankbarer, sehe mich
aus Liebe sterben.

DER GRAF
Die Stimme Violantes
und auch Violantes Züge!
Doch was soll diese Kleidung?
Ich könnte mich noch irren,
ich muß sie näher sehn.

SANDRINA
(kommt wieder zu sich)
Ach, daß über mich Arme
der Himmel sich erbarme!

DER GRAF
Ja, ja, sie ist es,
sie ist es wirklich!
Mir schwindet aller Mut.

SANDRINA
(bemerkt den Grafen)
Was seh' ich? Der Graf? O Himmel!

SZENE 11
Arminda, Ramiro und Vorige

ARMINDA
(kommt mit einem Riechfläschen)
Nehmet hier Balsam sulfuris.

RAMIRO
Herr Graf, mit Ihrer Erlaubnis...

ARMINDA
Ramiro!

RAMIRO
Arminda!

ARMINDA, RAMIRO
(Was werd' ich tun?)

DER GRAF
(heimlich zu Sandrina)
Sag mir, wer bist du?

SANDRINA
(Was sag ich?)

RAMIRO
(zu Arminda)
Grausame!

ARMINDA
(Was zu tun?)

SANDRINA, ARMINDA, RAMIRO, DER GRAF
O unerhörtes Schiksal!
Dieser verdammte Zufall
quälet mich fast zu Tod!

DER GRAF
(Voller Zweifel steh' ich schwankend,
weiß nicht, ob ich wachend träume.
All mein Denken ist verwirrt.)

SANDRINA
(Ich empfind' in meinem Herzen
unermeßlich, bitt're Schmerzen,
die mich weinen, seufzen machen.)

RAMIRO
(Meine Sinne sind betöret,
von dem Zufall ganz zerstöret.
Ich verliere den Verstand!)

ARMINDA
(Ich weiß nicht, was hier geschehen,
meine Sinne mir vergehen,
zitternd, bebend steh' ich da.)

SANDRINA, ARMINDA, RAMIRO, DER GRAF
(Meine Ruhe ist ganz verschwunden,
mir stockt jedes Wort im Mund.)

SZENE 12
Der Podestà und Vorige

DER PODESTÀ
Welche Stille, welche Mienen!
Macht ihr etwa hier Kalender?
(zu Sandrina)
hast du deine Sprach' verloren?
Ist der Mund dir zugefronen?
(zu allen)
Nun, so sprecht, was geht hier vor?

SANDRINA
(Kann ich's sagen?)

DER GRAF
(Kann ich's wagen?)

RAMIRO
(Welche Frage!)

ARMINDA
(Ich verzage!)

DER PODESTÀ
Alles ist mir unbegreiflich!
Hier ist etwas vorgegangen,
mit der Sprache nur heraus!

RAMIRO, DER GRAF
(jeweils zu Arminda bzw. Sandrina)
Bist du diese?

SANDRINA, ARMINDA
(jeweils zum Grafen bzw. Ramiro)
Bist du jener?

SANDRINA, ARMINDA, RAMIRO, DER PODESTÀ, DER GRAF
Mein Verstand ist ganz verwirret,
ängstlich pochet mir das Herz!
(Alle außer dem Podestà ab)

SZENE 13
Der Podestà, dann Serpetta und Nardo

DER PODESTÀ
Wo ist die die Ehrfurcht, die mir gebühret?
Mich, den Hochweisen, der alles regieret,
läßt man hier stehen wie einen Narr'n!
Gehet zum Teufel, macht mir nicht bange.
Ich will nichts wissen von eurem Range,
von Despotismus und Adelstand!
(wird im Abgehen von Serpetta aufgehalten)

SERPETTA
Lustig, ich bringe Euch hübsche Nachricht:
Das Gärtnermädchen mit ihrem Grafen
küssen und kossen, unten im Garten,
mit aller Freiheit, ruhig und still.

DER PODESTÀ
Teufel und Hölle! Das sollt' ich leiden!
(will abgehen, wird jedoch von Nardo aufgehalten)

NARDO
Glaubt nicht an die Lügen des losen Mädchens,
sie will euch schicken in den April!

SERPETTA
Hier diese Augen, hier diese Ohren
muß es sehen, konnten es hören!

NARDO
Schreckliche Lügen, sie zu betören.

DER PODESTÀ
Gleich überzeuget mich!

SERPETTA
Kommt nur mit mir!

DER PODESTÀ
Gleich überzeuget mich!

NARDO
Kommt nur mit mir!

SERPETTA
Mit mir!

NARDO
Mit mir!

SERPETTA
Er kann nur lügen!

NARDO
Und sie betrügen!

DER PODESTÀ
Quäle mich tot, widriges Schiksal!
Sehet verspottet und hintergangen
jenen berühmten Mann, den Podestà!

SERPETTA, DER PODESTÀ, NARDO
Wir wollen gehen und nun gleich sehen.
Die Wahrheit zeiget sich dort oder da.

SZENE 14
Sandrina und der Graf, denn der Podestà.
Serpetta und Nardo auf der einen Seite in beobachtender Haltung, Arminda
und Ramiro auf der anderen Seite.

SANDRINA
(zum Grafen)
Was ist denn Ihr verlangen?
Ich bin genug gequälet!
Sie haben schon gewählet
Armindas schöne Hand.

DER GRAF
(zu Sandrina)
Laß dich erbitten, rede,
so sag' das eine Wort mir!
Sag', bist du Violante,
der ganz mein Herz gehöret?

SERPETTA
(zum Podestà, indem sie auf Sandrina und den Grafen zeigt)
Sie seh'n, mit welcher Zärtlichkeit
Die Heuchlerin ihm schmeichelt.

DER PODESTÀ
Ich seh' es! daß sie erblasse!
Ich räche mich an ihr.

NARDO
(Der Graf! ach welch ein Zufall!
Wie helf' ich ihr heraus?)

SANDRINA
(zum Grafen)
Sie sind in großer Irrung!

DER GRAF
(Himmel, welch eine Verwirrung!)

ARMINDA
(zu Ramiro)
Ihr' Hinterlist und Meineid
hat Ihren Stand entehrt!

RAMIRO
(zu Arminda)
Das Herz, das Sie belebet,
nur schwarze Falschheit nährt.

SANDRINA
(entschlossen zum Grafen)
Grausamer! ohne Schonen
kann man so schlecht belohnen
mein zärtlich treues Herz?
Nenne mir mein Verbrechen,
dann magst deich an mir rächen,
Fühlloser ohne Ehre!

DER GRAF
Alles ich längst bereute!
Teure, ach verzeihe!
Himmlische Violante!

SANDRINA
Himmlische Violante!
Nun aber ist Violante,
das arme Kind dahin!
O Himmel! Sie ist tot!

(Der Graf kniet vor Sandrina nieder; in dieser Haltung wird er von den
anderen überrascht.)

DER PODESTÀ
Gebt mir Antwort!

ARMINDA
Sprecht nur wieter!

RAMIRO
Graf, hübsch munter!

SERPETTA
Nicht gezittert!

NARDO
(Wo will alles die hinaus?)

SANDRINA
(Alles muß ich schweigend dulden!)

DER GRAF
(Ach, sie büßet mein Verschulden.)

SERPETTA, ARMINDA, RAMIRO, DER PODESTÀ, NARDO
Alles schweigen, was geschieht?

ARMINDA
(ironisch zum Grafen)
Graf, die Lieb' wird sie verzehren!

DER PODESTÀ
(ironisch zu Sandrina)
Solche Einfalt muß man ehren!

RAMIRO
(ironisch zu Arminda)
Ich erfreue mich mit Ihnen!

SERPETTA
(ironisch zu Sandrina)
Welche unschuldsvolle Mienen!

SERPETTA, ARMINDA, DER PODESTÀ
Lebt vergnügt, verliebte Seelen!

SERPETTA, RAMIRO, NARDO
Niemals soll ein Geist eich quälen.

ARMINDA, SERPETTA, RAMIRO, DER PODESTÀ, NARDO
Steigt herab, ihr Liebesflammen,
und verbrennt zu Staub ihr Herz!

SANDRINA, DER GRAF, DER PODESTÀ, NARDO
Über mich schlägt hier zusammen
alles Unglück und aller Schmerz.

ARMINDA
(zornig zum Grafen)
Unmensch, Verbrecher, Verräter!
Könnt ich dein Herz in Stücke zerreißen!

RAMIRO
Den großen Eifer und ihre Hitze
begreif' ich nicht.

DER PODESTÀ
(wütend zu Sandrina)
Kannst meine Güte so wenig schätzen?

SERPETTA
(auf Sandrina deutend)
Könnt' ich sie aus dem Haus mit Hunden hetzen!

NARDO
Bei diesen Handel die Frag' mir gebricht.

SANDRINA
Ach, welches Herzenleid! Ach, welches Unglück!
Was kann ich sagen? niedergeschlagen
von solchen Herzenleid und solchen Schmerz!

DER GRAF
Welch set'nes Abenteuer! Welche Szene!
Ich lieb' die Eine, lieb' auch die And're...
Doch ich kann einer nur schenken mein Herz.

SANDRINA, SERPETTA, ARMINDA, RAMIRO, DER GRAF, DER PODESTÀ, NARDO
Welche Verwirrung
ohn' alle Rettung!
Der Zorn zernaget mit das Herz im Busen.
Nichts dämpfet diese Glut,
nichts hemmt die Wut!
Akt I | Akt II | Akt III


contributed by Camila Argôlo Freitas Batista


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Thursday, 17-Oct-2002 02:25:02 PDT