EDUARD DEVRIENT / HEINRICH MARSCHNER

Hans Heiling

Dritter Akt



Erste Szene.

(Ödes, rings geschlossenes Felsenthal. Es is Nacht. Heiling steigt mühsam und verstört über die Felsen.)

Heiling (sprechend):
Ich bin am Ziel. Hier ruht ihr müden Gleider,
Zu Ende ist nun eire Erdenfahrt. O rasende
Verblendung, die mich trieb das Glüuck der Erde
Neidenswerrt zu finden.
Der Mensch allein kann Erdenglück genießen,
Weil dem beschränkten Stumpfsinn es genügt.
Des höhern Geistes mächtiges Verlangen
Kann nur getäuscht an seinem Schimmer hangen.
Und was ist diese mächt'ge Weibesliebe,
Der Lebenspuls von allem Menschentreiben?

Haha! Haha! O Unsinn darauf zu bauen!
Ein einz'ger Blick, ein buhlerisches Wort,
Ein einz'ger Tanz, un Lieb' und Treu'
Sind fort un die wir Alles hingeopfert.

Still! Der Erde Täuschung liegt weit
Hinter mir, Ich habe mich gerächt-
Ihr Buhl' ist tot!
Mag sie verderben nun in Gram und Not.

(Er singt):

O Mutter, hätt'ich dir gegkaubt,
Uns beiden espart'ich dann das herbe Leiden.
Doch kehr' ich wieder Mutter, und auf immer!
Weil von mir stoss'ich die unwüd'ge Schwächte,
Weit von mir jedes menschliche Gefühl!
Zum Geisterkönig wurde ich geboren
Und meiner Abkunft Stoltz ist nicht verloren!
Herauf ihr Geister aus Höhl' und Kluft,
Herauf, der Meister, der König ruft!

(Die Erdgeister steigen aus dem Boden.)

Chor der Geister:
Wer rief uns? Wer beschwört der Tiefe Geister,
Wer ist so kühn und nennt sich ihren Meister?

Heiling:
Ich bin's! Erkennet mich, meine Brüder!
Der Erde müde, kehr' ich wieder,
Ich hab'auf ewig ihr entsagt.

Chor der Geister (höhnisch):
Hast du nun an uns gedacht,
Da dein Mädchen dich verlacht?

Heiling:
Das Lachen hat sich schnell gewandt;
Ihr Buhle fiel von meiner Hand!

Chor der Geister:
Ha, ha, ha! Seht doch an!
Wie Meister Heiling prahlen kann!
Der Jäger ist frisch,
Gesund wie ein Fisch!

Heiling:
Er lebt, sagt Ihr?

Chor der Geister:
Du trafst ihn schlecht,
Er lebt und sitzet
Warm in seines Liebschens Arm!

Heiling:
So wär' ich nicht gerächt, nicht?

Chor der Geister:
Dein Schätzchen ist des Jägers Braut,
Und morgen wird's ihm angetraut!

Heiling:
So rächet ihr denn eures Königs Schmach,
Zur Hochzeit gehen wir, mir nach!

Chor der Geister:
Hast dich ja von uns losgesagt,
Geh'hin, und prüfe deine Macht!

Heiling:
Sprecht ihr eurem König Hohn?
Nieder mir zu Füßen,
Euren Trotz zu büßen!

Chor der Geister:
Wo ist deine Krone,
Wo deine Herrscherstab?
Sag' wo ist dein Buch,
Dessen Zauberspruch
Uns in Fesseln schlug?

Heiling (Seiner Hilflosigkeit inne werdend):
Mein Buch, Mein Hort,
Meine Krone fort!

Chor der Geister:
Hi hi hi hi hi hi!
Willst dich überheben
Auf der Erde leben,
Nur gemach,
Die Reu' folgt nach!

Heiling (verzweifelnd):
Ha! Das Geisterreich stößt mich zurück,
Und hin ist all'mein Erdenglück!
Alles, alles ist verloren.
O des Toren.

(Er stürzt nieder, Die Geister umgeben ihn, die Hände über ihn streckend.)

Chor der Geister:
Jetzt ist er unser auf immerdar!
Jetzt eilig hin, zur Königin!

(Die Zwerge huschen fort und kehren mit dem Zepter zurück. Zu Heiling):

Hör' uns an, verzweifle nicht!
Ob auch der Menschen Treue bricht,
Die Geister halten streng am Pflicht!
Wills du wieder uns gehören,
Dich uns ganz zu eigen schwören
Soll dieser Zepter wieder dein,
Und unsre Macht dir dienstbar sein!

Heiling:
Alles, alles will ich euch versprechen,
Laßt mich meine Schmach nur rächen,
Rache, Rache, nur will ich!

Chor der Geister (Ihm den Zepter reichend):
So nimm ihn hin!
Wir rächen dich!

Heiling:
Habt Dank, habt Dank, ihr Brüder!
Jetzt, jetzt bin ich König wieder!
Es nahet die Rache.
Wehe euch beiden,
Ihr triumphieret nicht!
Wenn ihr beim Feste
im Taumel der Freuden
Dann halte ich Gericht.

Chor der Geister:
Es nahet die Rache,
Wehe euch beiden,
Ihr triumphieret nicht!

Heiling und Chor der Geister:
Wenn ihr beim Feste
im Taumel der Freuden
Dann, ja dann halte ich/wir Gericht!


V e r w a n d l u n g


2 Szene.

(Wald, den Hintergrund nimmt eine hohe Felswald ein,auf der zur Seite eine Kapelle steht.

Bauernhochzeitsmarsch.

Stephan und vier Schützen mit ihren Hörnen, Bauern mit Stangen, Bergknappen-Musikanten, der Schulmeister, Bauern mit Fahnen, Brautjungfern, Konrad, Anna und Gertrude treten auf, Konrad den Arm in der Binde. Stephan singt.)

Stephan und Chor:
Es wollte vor Zeiten ein Jäger frei'n,
Er zog in den grünen Wald hinein.
Bau bau, hallo, trara, bau bau, hetz hetz!

Er lockte das hohe und niedere Wild,
Die Männchen und Weibchen im grünen Gefild,
Ihr lieben Gesellen, ach ratet mir fein,
Wie muß mein Betragen im Ehestand sein?
Bau bau, hallo, trara, bau bau, hetz hetz!

Der Jäger zuerst zu dem Bären trat,
Du zottiger Petz gib mir guten Rat!
Bau bau, hallo, trara, bau bau, hetz hetz!

Da brumette der Bär: Sieh mich nur an,
Bin ich nicht ein Muster als Ehemann?
Denn dickfellig muß man bein Weibern sein,
Und brummen und brummen Jahr aus, Jahr ein.
Bau bau, hallo, trara, bau bau, hetz hetz!

(Alle bewegen sich in einem Brautzug zur Kapelle him. Hans Heiling tritt auf mit einem Zepter in der Hand, ein ungebetener und unwillkommener Gast. Er hö dem Gesang zu.)

Bauern, Hochzeitgästen, Anna, und Konrad:
Segne Allmächtiger, segne dies Paar,
Schütze ihr Haupt in jeder Gefahr.
Du bist der starke Gott auf den wir bauen,
Du der Allmächtige dem wir vertrauen,
Du bist der starke Gott dem wir vertrauen,
Du der Allgütige auf den wir bauen.

|Anna:
|Ich ewig dein,
|Ich halte dich umfangen
|Und alles Fürchten vergeßsen ist's,
|Auf immer und vergangen.
|Was mir gelobt dein süßer Mund,
|Der Liebe heil'gen Eid,
|Den hat zum ew'gen Treuebund
|Der Himmel nun geweiht.
|
|Konrad:
|Nun bist du mein,
|Ich halte dich umfangen
|Und alles Fürchten alles Bangen,vergeßsen ist's,
|Auf immer und vergangen.
|Was mir gelobt dein süßer Mund,
|Der Liebe heil'gen Eid,
|Den hat zum ew'gen Treuebund
|Der Himmel nun geweiht.

(Anna und Konrad spielen nun Brautsuchen. Beiden werden die Augen verbunden und Konrad versteckt sich unter den Männern, Anna unter den Frauen. Konrad kniet im Kreise der Mädchen, die ihm die Augen verbinden.)

Chor der Mädchen:
So wollen wir auf kurze Zeit
Die Augen dir verbinden,
Hast du nach Herzens Lust gefreit,
Wirst du dein Weibchen finden.

Konrad (zu Anna):
Und wärst du tausend Meilen weit,
Ich wollte dich schon finden.

(Zwei Mädchen führen ihn rasch ab.)

Stephan:
Nun lauft mit ihm was ihr könnt,
Versteckt ihn, ich komme gleich
Mit der Braut nach.

Chor (zu Anna, welcher sie ebenso die Augen verbinden):
So wollen nur auf kurze Zeit
Die Augen dir verbinden,
Wenn du ein treues Weibchen bist,
Wirst du dein Liebsten finden.

Anna:
Ach wer dem Herzen teuer ist,
Den weiß man schon zu finden.

(Die Mädchen führen Anna im Kreise herum. Sie streckt die Hand aus. Heiling tritt vor und ergreift sie. Die Mädchen schreien laut auf und laufen erschrocken davon. )

Nun fürht mich!
Mädchen! Ha!
Was soll das Schrein?
Ihr tollen Mädchen,
Laßt die Possen sein,
So kommt doch, wollt ihr nicht?
So sprecht, iht ängstigt mich,
Ach das ist gar nicht recht!

(Sie reißt die Binde los.)

Barmherz'ger Gott!

Heiling (mit starrer Kälte):
Als Rächer komm ich her!

Anna:
Weh mir!

Heiling (tief bewegt):
Anna! warum hast du mir das getan?

Anna:
O, rechnet mir nicht Euren Jammer an!

Heiling:
Gedenkst du nicht des Tag's, da du mir Treu' versprochen,
Als ich in Wonn' und Schmerz zu deinen Füßen rang?
Warum, warum, hast du mir deine Treue gebrochen?

Anna:
Warum habt Ihr zum Menschen Euch gelogen,
In Eure grause Nähe mich gezogen,
Mit Eitelkeit mein Herz versucht?
Ich wußte nicht, was ich versprochen,
Als Ihr mich Braut gennant.

Heiling:
Verflücht!
Du hast du keine Treue mir gebrochen?
Vor meiner Lieve konnte dir schon grauen?
Wohlan, wohlan so sollst du meine Rache schauen!

Anna:
So räche dich, Entsetzlicher!
Doch nur an mir, an mir allein,
Erschöpfe alle Pein,
Und schone, schone meines Gatten nur!

Heiling:
Ha, Schädliche! So wagst du ihn zu heißen?
Aus deinem Herzen will ich diesen Namen reißen!

Anna (flieht nov ihm wankenden Schritts):
Ihr Heil'gen alle,
Schützet, rettet mich!

(Sie stürzt in die Knie, mit ausgebreiteten Armen ruft sie in Verz*uuml;ckung zum Himmel.)

In deine Hände, O Gott, befel'ich mich!

(Heiling läßt von ihr ab. Konrad tritt auf. Gertrude, Stephan, Schützen, Bauern und Brautjungfern folgen ihm, und umgeben Heiling drohrend.)

Konrad (zu Heiling):
Weiche, Verflucher!
Ihr Retter ist da!
Weh dir, Verrucher,
Die Rache ist nah!
Rufe deine Geister,
Schwarzer Hexenmeister!
Rolle nur wütend den Blick,
Hier nimm deinen Dolchstoss zurück!

(Er sticht wütend auf Heiling. Die Klinge bricht. Heiling steht unbeweglich und lacht gellend auf. Die anderen weichen entsetzt zurück.)

Gertrude, Konrad, und Chor:
Wehe! Entsetzlich!
Er ist unverletzlich!

Heiling:
Geister herbei,
Die Rache ist frei!

(Er schwingt seinen Zepter.)

Chor:
Die Höll' ist frei,
Gott steh' uns bei!

(Unterirdischer Donner. Die Bühne verfinstert sich. Plötlich steigen Gnomen mit Feuerbränden und Kobolde an mehreren Stellen unter den Hochzeitsleuten auf, die davor fliehend mehrere Gruppen des Schreckens bilden. Zwei größere sind vorn zu beiden Seiten zusammen gedrängt. Mehrere Mädchen liegen auf den Knien, die Gesichter verbergend. Die Schützen stellen sich schirmend vor die Gruppen.)

Heiling und Chor der Geister:
Wehe euch Allen!
In des Verderbens Nacht
Seid ihr gefallen.

Chor der Bauern:
Wehe uns! In des Verderbens Nacht
Sind wir gefallen.

(Während der folenden Szenerie weichen die Hochzeitsleute zu beiden Seiten zurück. Im Hintergrunde öffnet sich die ganze Bergwand und zeigt die Außicht in das mit allen Schätzen der Erde glänzend geschmückte Hölenreich. Die Königin steht auf einer Thronehöhung, Zwerge sind um sie gruppiert. Die Erdgeister werfen sich nieder, so daß die Außicht zum Hintergrunde frei wird. Heiling steht auf der einen Seite im Vordergrunde. Anna, Gertrude und Konrad auf der andern. Es wird nach und nach wieder hell.)

Königin:
Halt ein, mein Sohn, die Rache darf nicht richten,
Laß mich den Streit in Liebe schlichten.

(Die Königin steigt herab und tritt während dieser Musik weiter vor.)

Chor der Hochzeitsleute:
Ha! Welch Wunder ist geschehen?
Welch ein Glanz läß dort sich sehen?

Königin (zu Heiling):
Du hast der Erde Lust und Pein erfahren,
Hast deine Leidenschaft gebüßt,
Erherbe dich nun über sie!
Das Geisterreich beut dir die Krone,
Und treue Liebe ihrem Sohne Verheißt
Der Mutter Herz.
Hieher mein Sohn,
Hier endet aller Schmerz.

(Sie breitet die Arme nach ihm aus.)

Chor der Erdgeister:
Ihn bewegt der Mutter Rede,
Wird er sich zur Milde kehren?

Chor der Hochzeitleute:
Welche wunderbare Rede,
Wird er auf die Mahnung hören?

Heiling (der immer in sich gekehrt gestanden):
Wenn mein Kranz verblüht,
Wenn mein Herz gebrochen,
Dann, ja dann hatt' ich Wiederkehr versprochen!

(Er kämpft mit sich selbst.)

Ich komme Mutter!
Alles, alles ist erfüllt!

|Chor der Erdgeister:
|Heil, die Herrin hat gesiegt,
|Heil uns, Heil, er ist gewonnen!
|
|Chor der Landsleute:
|Wohl uns, er ist besiegt,
|Die Gefahren sind verronnen.

Heiling (er erhebt sich):
Fahr ihn, der Erde Lust und Leid!
Es war beschieden was gescheh'n,
Kein sterblich Auge soll mich wiederseh'n!

(Er geht in die Bergöffnung.)

Anna und Konrad:
Fahr wohl, fahr wohl und unter uns sei Frieden!

Anna, Gertrude, Konrad, Stephan, Erdgeister, und Landsleute:
Gottes Allmacht hat entschieden,
Allen Recht und Allen Frieden!

Anna und Konrad:
Nun endlich mein und alles Bangen,
Vergeßen sei's, auf immer vergangen.

Alle:
Gottes Allmacht hat entschieden,
Allen Recht und Allen Frieden!

Vorhang

Ende des Oper.


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Monday, 08-Dec-2003 21:48:54 PST