EDUARD DEVRIENT / HEINRICH MARSCHNER

Hans Heiling

Zweiter Akt



Erste Szene.

(Wilde Wald und Felsengegend; das Abendrot leuchtet durch die Bäume)

Anna:
Wehe mir! Wohin, wohin ist es mit mir gekommen?
Wie schlägt mein Herz so ängstich und beklommen,
Mein froher Mut beginnt zu wanken
Und miteinander streiten dir Gedanken.

Einst was so tieger Friede mir im Herzen,
Ich kannte keine Sehnsucht, keine Schmerzen,
War so harmlos, war so frölich.

Seit ich geliebt bin,
Ist mein Friede hin,
Und nun ich liebe,
Bin ich unglückselig.

(Sie verliert such sinnend in Gedanken)
Wohin, wohin soll ich mich wenden
wie soll es enden?
Wer wird mein Retter sein
Von dieser Pein?
Dem Bräutigam hab' ich mein
Wort gegeben,
Es hängt sein ganzes Leben
An meinem Treuversprechen!
Kann ich das je brechen?
Und dennoch hab' ich jetzt es erst verstanden
Was so mit mächt'gen Banden
Die Herzen aneinander zieht,
Daß Seel' an Seel' erglüht.
An Konrads Liebe denk' ich mit Entzücken,
Da schreckt mich Heilings Bild mit Vorwurfsblicken,
Und doch bin ich in meiner Brust
Mir keiner Schuld bewußt.
Wohin, wohin soll ich mich wenden,
Wie soll es enden...usw.

Chor der Geister (unterirdisch):
Aus der Klüfte Schlund,
Durch der Erde Grund
Drängt hinauf, empor
An das Licht hervor.

(Die Geister steigen aus der Erde empor)

Königin:
Hör' auf mein Wort,
Betörtes Menschenkind,
Ich bin gekommen dich zu warnen,
Das Unglüuck droht dich zu umgarnen,
Und ins Verderben stürzest du dich blind.

Anna (sehr bewegt):
O hohe Frau, was hab' ich denn begangen?
Was könnt ihr doch von mir verlangen?

Geisterchor:
Menschenkind gib dich gefangen
Gleich erfüllte ihr Verlangen!

Königin:
Meinen Sohn gib mir zurück!
Laß ihn frei
Aus dem Netz der Liebeszauberei.
Denn auf Erden blühet ihm kein Gluck!

Geisterchor:
Wehe dir, gehorchst du nicht!

Anna:
Wehe mir! Ich versteh' euch nicht!

Königin und Chor der Geister:
Wiße denn, dein Bräutigam
Ist Geisterfürst der Berge!
Er gehört dem Stamm
Der Gnomen und der Zwerge!

Anna:
Allmächt'ger Gott!

(Sie sinkt vermichtet nieder.)

Königin:
Öffne dein Ohr
Für die warnende Stimme,
Gib ihn mir wieder,
Den einzigen Sohn,
Gib ihn zurück
Dem verlaßenen Thron!
Sonst bist du verfallen
Dem rächenden Grimme
Der mächtigen Geister,
Sie fordern den Meister
Sie sinnen un spinnen
Grau'n und Entsetzen.
Sie schrecken und hetzen
Bie Tag und bei Nacht,
Sie schrecken und hetzen dich
Mit endloser Pein!

Geisterchor:
Wehe dir! Wehe dir!
Wirst du nicht
Gehorsam sein!

(Sie versinken langsam)

Konrad (hinter der Szene):
Wohl durch den grünen Wald mein Jägerhorn erschallt!
Wer weilt so spät und einsam noch in Walde?
Ist es ein Mensch, ein Spuk der bösen Geister?
Nur frisch heran, es soll sich bald mir zeigen.

(Er tritt hinzu und erkennt Anna)

Was seh' ich, Anna!
Um Sankt Hubertus willen, was tut Ihr hier?

Anna (ensetzt):
Laßt ab! Laßt ab von mir!

Konrad (sanft zuredend):
Kennt Ihr mich nicht? Anna, seht mich doch an.

Anna:
Ach Konrad! Konrad! Euch hat Gott gesandt!

Konrad:
O faß Euch, sagt was ist Euch hier begegnet?
Wo ist Euer Bräutigam, daß er Euch nicht beschützt?

Anna:
O schweigt von ihm. Ensetzen packt mich an!

Konrad:
Ihr liebt ihn nicht?

Anna:
Nie hab' ich ihn geliebt!

Konrad:
Und wollt sein Weib dich werden?

Anna:
Nimmer mehr. Eh' will ich in den tiefsten
Strom mich betten.

Konrad:
Ha, dieses Wort gibt erneuertes Leben,
Schwellet mir mächtig den Mut.
Trauet auf mich, Ihr sollt' nicht mehr beben!
Schutz will ich gegen die Hölle Euch geben,
Euch weih' ich all'mein Blut.

Anna (für sich):
Ja ihm vertraue ich freudig mein Leben,
Wie stärkt mich sein männlicher Mut!

Konrad:
Doch rash nun fort
Von diesem Ort
Auf immerdar!

Anna:
Doch rash nun fort
Von diesem Ort
Auf immerdar!

|Konrad:
| Laßt, o laßt Euren Weg mich beschützen,
|Euch meinen Arm, meinen Arm Euch unterstützen,
|Dann seid Ihr sicher vor jeder Gefahr!
|
|Anna:
|Er will mich mutig beschützen,
|Mich soll sein Arm unterstützen,
|Ja ich vertrau' Euch in jeder Gefahr!


V e r w a n d l u n g


2 Szene.

(Gemach in Gertrudes Hütte. Es is dunkel, eine brennende Lampe steht auf dem Tish. Feuer auf dem Herd. Der Wind heult. Gertrude sitzt mit dem Rocken in der Tiefe.)

Gertrude (sprechend):
Wo nur Ännchen bleibt, es ist finstre Nacht
Und der Wind heult kalt über die Heide.
Wüßt' ich nicht, daß sie die Wege kennt,
Mir wäre bange um sie.

(Sie geht ans Fenster)

Es ist auch kein Sternchen am Himmel.
Heihei, das stümt ja,
Als wäre das wilde Heer los.

(Sie macht das Fenster zu und fängt wieder an zu spinnen.)

Wäre nur Anna erst da!
Ich sagte es gleich,
Es wäre heute schon zu spät
Zur Base zu geh'n, der Weg ist zu weit,
Es hätte ja morgen sin können.

(Sie singt.)

Des Nachts wohl auf der Heide
Da brennt ein Flämmchen blau.
(sprechend):

Wenn sie nur ohne Anfechtung
Durch den Wald gekommen ist.

(singend wieder):

Ein geiziger, hartherziger Mann,
Den Schatz zu heben kommt er an.

(sprechend):

Wie die Hunde in den Sturm heulen.
's ist schaurig kalt.

(Sie schüttelt sich. Singend):

Und wie er gräbt, da steigt empor,
ein bleiches Totengeripp!

(sprechend):

Still, raschelt es nicht an der Tür?

(Sie horcht)

Nein, sie ist es noch nicht.

(Sie singt.)

Auf der Heide,
Da brennt ein Flämmchen blau.
Du hörst nicht auf der Armen Not,
Drum würge ich dich jetzt zu Tod.
Des Nachts wohl auf der Heide,
Da brennt ein Flämmchen.

(sprechend):

Wer kommt da?

(Konrad trägt Anna herein.)

All'ihr Heiligen, was ist gescheh'n?

Konrad:
Erschreckt nicht, Mutter Gertrude.
Es ist ihr kein Leid gescheh'n.

(Gertrude ist mit Anna beschättigt. Konrad beschwört sie, die Hochzeit zu verhindern.)

Konrad:
Ihr hört es!
Schon sein Nam' ist ihr ein Abscheu,
Und Ihr wollt sie zu solchem Bündis zwingen?
O sagt mir, Anna, wird in Eurem Busen
Für keinen Andern eine Stimme laut
Und könntet Ihr ein Herz voll unbegrenzter
Treu' und Zärtlichkeit verwerfen?

Anna:
Konrad, ach schonet mein,
Ich bin ein armes unglücksel'ges Mädchen!

Konrad:
Gönne mir ein Wort der Liebe,
Ein einzig Wort der Liebe,
Und ewig, ewig bin ich dein.
Dann soll dir kein
Tag mehr trübe
Keiner, keiner leidvoll sein.
Sorgsam will ich alle Freuden
Dir auf deinem Pfad vereinen,
Und in Leiden für dich käpfen,
Mit dir weiden!
Nur die Lieb' in deinen Blicken
Sei mein Leben, mein Entzücken,
Nur die Freud; in deinen Blicken
Sei mein Leben, mein Entzücken!
(zu Gertrude)
Lasset Gewährung mich hoffen!
(zu Anna):
Willst du die Meine sein?
Anna! Willst du die Meine sein?
Lasset Gewährung mich hoffen!
Willst du die Mein sein?
Dann ist der Himmel mir offen,
Wonne der Seligen mein!
Willst du die Meine sein?

|Gertrude:
|Ei, Kunz, wo denkt Ihr hin!
|Was kommt Euch in den Sinn?
|Wollt' ich auf Eure Worte hören,
|Was würde Meister Heiling sagen?
|
|Konrad:
|O wollt Eurer Kinder Glück gewähren,
|Ihr sollt es nimmermehr beklagen!
|Ihr sollt es nimmermehr bereuen!
|
|Anna (schüchtern):
|Darf ich wohl freud'ge Hoffnung nähren?
|Ich muß an allem Glück verzagen!

(Heiling tritt unbemerkt herein und bleibt beobachtend im Hintergrund. Anna erblickt Heiling. Entsetzt.)

Anna:
Da ist er!

Heiling:
Nimmermehr hätt'ich geglaubt,
Daß du so mich kränken könntest,
Mir so ungehorsam sein.
Doch will es dir verzeih'n,
Bald bist du mein Weib und wehe dem,
Der zwischen uns sich stellt!
Schön geschmückt sind Haus und Hof
Ihre Herrin zu empfangen.

(Heiling öffnet das Schmuckkästchen und läßt Juwelen und goldne Ketten hervornblitzen, die Gertrude von ferne anstaunt.)

Nimm demnach als Leibgedinge
Diesen Schmuck, den ich dir bringe.

(Heiling reicht Anna den Schmuck hin. Anna schauder zusammen und senkt den Blick, die Hände zusammen pressend. Konrad steht mit verschränkten Armen finstern Blicks beobachtend.)

Gertrude:
Heil'ge Jungfrau! Welch'ein Glanz,
Er verblendet mich noch ganz.

Heiling:
Wllst du mein Geschenk verschmäh'n,
Deinen Brautschmuck gar nicht seh'n?

(Er naht sich Anna damit.)

Anna (entsetzt):
Fort, hinweg mit dem Geschenk!
Nichts, o nichts will ich von Euch!

Gertrude:
Ei, Kind, bedenk'!

Konrad (für sich, mit unterdrücktem Zorn):
Gelüstet es dem Frechen
Ein hartes Wort zu sprechen.

Heiling (für sich):
Welch trotziges Erfrechen,
Nur er lehrt sie so sprechen,
Sein Verderben soll es rächen!

Gertrude (zu Anna):
Mein Kind, du mußt zur Sühne sprechen,
sonst wird der Friede brechen!

Konrad (für sich):
Gelüstet es dem Frechen
Ein hartes Wort zu sprechen,
Soll dieser Arm es rächen!

Heiling (zu Anna):
Nicht bedacht hast du dein Wort,
Fremder Eifer riss dich fort;
's ist dein Leibgedinge
Was ich bringe,
Ich, der Bräutigam deiner Wahl,
Bald dein Herr und dein Gemahl!

(Er faßt ihre Hand. Anna reisst sich los und flieht.)

Anna (zu Konrad, auf Heiling deutend):
Wenn du mich liebst so schütze mich!
Er ist ein Erdgeist!

Heiling (stürzt zusammen):
Ha!

Konrad:
Was höre ich!

Anna:
Glaubt mir doch, das war es ja,
Was ich vorhin im Walde sah,
Er stammt aus dem Reich der Zwerge,
's ist ein Geisterfürst der Berge!

Konrad (zu Heiling):
Beim heil'gen Hubert beschwör' ich dich,
Hebe dich hinweg von hier,
Sonst, bei Gott, versuche ich
Den blanken Stahl an dir!

Heiling:
Alles dahin!

|Konrad (zu Anna):
|Frei bist du, frei,
|Trotz seinem tück'schen Droh'n!
|Frei, bist du, frei,
|Ich lach' des Kobolds Wut!
|
|Anna und Gertrude:
|Gott steh' uns bei!
|Stille das feindliche Droh'n!
|Der Rache flammende Wut!
|
|Heiling:
|Hei hei! Wie sie droh'n
|Welch lustiger Hohn!

(Er sticht plötzlich nach Konrad und stürzt lachend ab.)
Hei hei! hei hei!

Anna (stürzt sich auf Konrad):
Konrad, Geliebter!

Vorhang

Ende des Zweiter Akt.



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Monday, 08-Dec-2003 21:48:52 PST