EDUARD DEVRIENT / HEINRICH MARSCHNER

Hans Heiling

Vorspiel



(Der Vorhang hebt sich. Unterirdische, von rötlich trübem Licht erhellte Höle. An den zackigen Wänden klettern Zwerge und putzen die Erdadern, tragen geschäftig Stufen und Juwelen herbei, welche sie knieend der Königin und Heiling vorzeigen. Diese sitzen in der Mitte auf einer Thronerhöhung. Heiling mit reichem Mantel und blitzender Krone, hälte gedankenvoll ein goldnes Stäbchen in der Hand. Gnomen wältzen Felsblöcke, usw.)

Chor(Mürisch)
Rastlos geschafft
mit stätiger Kraft.
Die Waßer der Tiefen
gewältigt mit Macht,
treulich bewacht.
Die Schätze, die schliefen
in ewiger Nacht,
herauf in den Schacht!

Ohne Ruh,
immer zu,
hin und wieder,
auf und nieder,
wirken wir munter,
reicher und bunter,
wonach die Menschen
ringen und werben,
zum Nutzen und Schaden,
zum Heil und Verderben.

Heiling (wirft den Mantel von der Schulter und legt Krone und Zepter ab)
Genug, beendet euer emsig Treiben.
Es treibt mich fort, ich kann nicht länger bleiben,
Hinauf zur liebeblüh'nden Erde wieder.

Königin
So willst du heut' auf immer von uns scheiden?
Dein goldnes Reich, die Mutter, die Mutter willst du meiden,
Entsagen der Gemalnschaft deiner Brüder?

Heiling (recit.)
Ich muß es ja!
denn will ich eure Krone tragen,
muß ich der Erdenlieb'entsagen,
(der Lieb' entsagen?!)
und das, das kann ich nicht.
Seit dem ich Anna gefunden,
seit unsre Seelen verbunden,
acht'ich Kron' und Zepter nicht.

Chor
Zu der Menschen falschem Geschlecht
Willst du dich schlagen,
nimmer unsre Krone tragen?
König, ist das recht?

Königin (zu Heiling)
O bleibe hier!

Chor
O bliebe hier,
die Geister dienen
auf Wort und Mienen
willig dir!

Heiling
Fort! Ersparet dies Beteuren!
Los will ich mich von euch zählen,
nicht mehr von Anna mich stehlen
euren Sabbath hier zu feiern.

Chor
Ho ho ho! Wie stutzig!
seht, wie stolz und trutzig,
willst dichü berheben,
auf der Erde leben?
Wie? Gemach, die Reu' kommt nach.
Ho ho ho! Wie stutzig!
seht, wie stolz und trutzig,
willst dichü berheben,
auf der Erde leben?
Wie? willst dich Nur gemach,
die Reue folget nach!
Gemach, gemach.

Königin
So hat der Mutter Wahn sich dir vererbt,
der mich noch heut' mit bitt'rer Reue quält.
Du weißt es, daß dir das Leben
die Liebe eines Menschen hat gegeben,
daß du darum, ein unglückselig Doppelwesen,
zu ew'gen Zwiespalt bist erlesen.

Heiling
Ich weiß es, darum laß mich fort,
damit ich auf der blüh'nden Erde
in Annas Armen ganz zum Menschen werde.

Königin
Das wirst du nimmermehr!
Fremd wirst du den Menschen bleiben,
und ihr enges Treiben
scheint dir niedrig bald und leer.
Bald wird dich die Reue finden
und du sehnest dich zurück.
Darum bewahre die magische Kraft
die Geister zu binden,
bewahre das Pfand deiner Wißenschaft.

Heiling
Was soll mir jenes Buch?
Was soll sein Zauberspruch,
der mir noch keinen Segen trug?!
In Annas Busen wohnt in selig Leben,
der Liebe Zauber weben,
dem hab' ich mich allein ergeben!

Königin [Und bist du sicher dass die Overwelt
Mit ihren Zaubern Treue hält?

Heiling
Still, Mutter, still!
Lass meine Zweifel schlafen,
Ich muss vertrauen, wenn ich leben will.
Gieb mir den Brautschmuck denn es drängt die Zeit.]

Königin
Der Mutter letzte Gabe is bereit.

(Zwerge bringen der Königin ein schön verziertes Kästchen; sie öffnet es.)

Schimmernde Demanten,
wie glühend hell ihr scheint;
ihr seid der Mutter Abschiedszähren,
die sie dem ungetreuen Kinde weint;
so nimm denn meine heißen Tränen
zum Brautschmuck, meine Feindin zu verschönen.
Mit meinem Jammer schmückest du dein Glück
und ganz verlaßen bleibe ich zurück!

Heiling (ist vor niedergesunken, ihre Hand heftig an Lippen und Augen drückend)
Laß ab, laß ab!
Mißgönnst du mir mein Glück?
Warum erschwerst du mir den [letzten] Augenblick?
(Er will fort)

Chor: (trotzig, umgibt ihn)
Du sollst nicht entweichen,
gedenk' deiner Pflicht,
du bist unsresgleichen,
wir laßen dich nicht.

Königin
O laß dich erweichen,
verlaße uns nicht!

Chor:
Du sollst nicht entweichen,
gedenk' deiner Pflicht,
du bist unsresgleichen,
wir laßen dich nicht.

Königin
O laß dich erweichen,
verlaße uns nicht!

(Ihn enger unkreisend)

Heiling
Wagt ihr zu droh'n?
Ihr haltet mich nicht!
Gebt Raum! Euer König befiehlt!
(Er schwingt gebieterisch den Zepter)

Chor (stürzt vernichtet nieder und bleibt so bis Heiling abgeht.)
Weh' uns, wehe! Wehe uns!

Heiling (tritt zur Königin und beugt sich knieendüber ihre Hand.)
Leb' wohl, du arme kinderlose Mutter!
(Giebt ihr den Zepter, wendet sich dann zum Chor)
Fahrt wohl! ihr trüben, freudelosen Brüder!

Königin (ihm die Arme nachstreckend)
Mein Sohn!
Mein Sohn, kehrst du mir niemals wieder, nie?

Heiling (wendet sich um, dann tritt ihr näher)
Wenn mein Kranz verblüht,
wenn das Herz mir bricht,
dann, Mutter, dann vielleicht.
O wünsch'es nicht, das, Mutter,
wünsche nicht!

(Er eilt fort. Man sieht ihnüber die Felszacken hinaufsteigen.)

Chor
Er eilt hinweg,
er Hört uns nicht.
(Ihm nachdrohend)
Wehe dem, der Treue bricht!

Königin (ist auf des Thrones Stufen hingesunken)
O arme kinderlose Mutter!

Chor (Teilnehmend)
O arme kinderlose Mutter!

Königin (rasch aufstehend)
Nein! Nein!
Nicht umsonst will ich die Macht besitzen;
ich ruhe nicht, ich will sie rastlos nütsen,
den Sohn auf immer wieder zu gewinnen.

Chor
Laß, Herrin, uns dabei dir dienen,
befiehl, was sollen wir beginnen?

Königin
Geduldig harren bis mein Wort gebeut.
Jetzt eilet, euer Wirken fort zu setzen,
gehorsam, gehorsam unsern ewigen Gesetzen.

Chor
Gehorchen und tragen,
uns tummeln und plagen,
das ist unser Loos!

Rastlos geschafft,
mit stätiger Kraft,
ohne Ruh',
immer au,
him und wieder,
auf und nieder,
wirken wir munter,
reicher und bunter,
wonach die Menschen
ringen und werben,
zum Nutzen und Schaden,
zum Heil und Verderben.

(Die Königin sitzt traurig sinnend auf dem Thron, die Geister verteilen sich geschäftig auf der Bühne und in den Seitenhölen. Der Vorhang fällt.)


Ouverture.



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Monday, 08-Dec-2003 21:48:55 PST