Der Fliegende Holländer

Dritter Aufzug



Seebucht mit felsigem Gestade; das Haus Dalands zur Seite im Vordergrunde. Den Hintergrund nehmen, ziemlich nahe beieinander liegend, die beiden Schiffe, das des Norwegers und das des Holländers, ein. Helle Nacht: das norwegische Schiff ist erleuchtet; die Matrosen desselben sind auf dem Verdeck; Jubel und Freude. Die Haltung des holländischen Schiffes bietet einen unhbeimlichen Kontrast: eine unnatürliche Finsternis ist über dasselbe ausgebreitet; es herrscht Totenstille auf ihm.

Matrosen des Norwegers [trinkend]
Steuermann! Laß die Wacht!
Steuermann! her zu uns!
Ho! He! Je! Ha!
Hißt die Segel auf! Anker fest!
Steuermann, her!
Fürchten weder Wind noch bösen Strand,
wollen heute mal recht lustig sein!
Jeder hat sein Mädel auf dem Land,
herrlichen Tabak und guten Branntwein.
Hussassahe!
Klipp' und Sturm' drauß - Jollohohe!
lachen wir aus! Hussassahe!
Segel ein! Anker fest!
Klipp' und Sturm lachen wir aus!
Steuermann, laß die Wacht!
Steuermann, her zu uns!
Ho! He! Je! Ha!
Steuermann, her trink mit uns!
Ho! He! Je! Ha!
Klipp' und Sturm' He! sind vorbei, he!
Hussahe! Hallohe! Hussahe!
Steuermann, Ho!
Her, komm und trink mit uns!
[Sie tanzen auf dem Verdeck. Die Mädchen kommen mit Körben voll Speisen und Getränken.]

Mädchen
Mein! Seht doch an! Sie tanzen gar!
Der Mädchen bedarf's da nicht, fürwahr!
[Sie gehen auf das holländische Schiff zu.]

Matrosen
He! Mädel! Halt! Wo geht ihr hin?

Mädchen
Steht euch nach frischem Wein der Sinn?
Euer Nachbar dort soll auch was haben!
Ist Trank und Speis' für euch allein?

Steuermann
Fürwahr! Tragt's hin den armen Knaben!
Vor Durst sie scheinen matt zu sein!

Matrosen
Man hört sie nicht.

Steuermann
Ei, seht doch nur!
Kein Licht! Von der Mannschaft keine Spur!

Mädchen [im Begriff, an Bord des Holländers zu gehen.]
He! Seeleut'! He! Wollt Fackeln ihr?
Wo seid ihr doch? Man sieht nicht hier!

Matrosen
Hahaha!
Weckt sie nicht auf! Sie schlafen noch!

Mädchen
He. Seeleut! He! Antwortet doch!

Matrosen
Ha ha!
Wahrhaftig, sie sind tot:
sie haben Speis' und Trank nicht not!

Mädchen
Ei, Seeleute, liegt ihr so faul schon im Nest?
Ist heute für euch denn nicht auch ein Fest?

Matrosen
Sie liegen fest auf ihrem Platz,
wie Drachen hüten sie den Schatz.

Mädchen
He! Seeleute! Wollt ihr nicht frischen Wein?
Ihr müßet wahrlich doch durstig auch sein.

Matrosen
Sie trinken nicht, sie singen nicht;
In ihrem Schiffe brennt kein Licht.

Mädchen
Sagt! Habt ihr denn nicht auch ein Schätzen am Land?
Wollt ihr nicht mit tanzen auf freundlichen Strand?

Matrosen
Sie sind schon alt und bleich statt rot!
Und ihre Liebsten, die sind tot!

Mädchen
He! Seeleut'! Seeleut'! Wacht doch auf!
Wir bringen euch Speise und Trank zu Hauf!

Matrosen und Mädchen
He! Seeleut'! Seeleut'! Wacht doch auf!. . . usw.

Mädchen
Wahrhaftig, ja! Sie scheinen tot!
Sie haben Speis' und Trank nicht not.

Matrosen
Vom fliegenden Holländer wißt ihr ja?
Sein Schiff, wie es liebt, wie es lebt, seht ihr da!

Mädchen
So weckt die Mannschaft ja nicht auf;
Gespenster sind's, wir schwören drauf!

Matrosen
Wieviel hundert Jahre schon sied ihr zur See?
Euch tut ja der Sturm und die Klippe nicht weh!

Mädchen
Sie trinken nicht, sie singen nicht!
In ihrem schiffe brennt kein Licht.

Matrosen
Habt ihr keine Brief', keine Aufträg' für's Land?
Unsern Urgroßvätern wir bringen's zur Hand!

Mädchen
Sie sind schon alt und bleich statt rot!
Und ihre Liebsten, ach, sind tot!

Matrosen
Hei, Seeleute! Spannt eure Segel doch auf
und zeigt uns des fliegenden Holländers Lauf!

Mädchen
Sie hören nicht! Uns graust es hier!
Sie wollen nichts - was rufen wir?

Matrosen
Ihr Mädel, laßt die Toten ruh'n;
Laßt's uns Lebend'gen gütlich tun!

Mädchen [den Matrosen ihre Körbe über Bord reichend]
So nehmt! Der Nachbar hat's verschmäht!

Steuermann
Wie? Kommt ihr denn nicht selbst an Bord?

Mädchen
Ei, jetzt noch nicht! Es ist ja nicht spät.
Wir kommen bald! Jetzt trinkt nur fort,
und wenn ihr wollt, so tanzt dazu,
nor gönnt dem müden Nachbar Ruh',
Laßt ihm Ruh'!

Matrosen [die Körbe leerend]
Jucche! Da gibt's die Fülle!
Lieb' Nachbar, habe Dank!

Steuermann
Zum Rand sein Glas ein jeder fülle!
Lieb' Nachbar liefert uns den Trank.

Matrosen
Hallohohoho!
Lieb' Nachbarn, habt ihr Stimm' und Sprach',
so wachet auf und macht's uns nach! . . . usw.


[Sie trinken aus und stampfen die Becher heftig auf. Von hier an beginnt es sich auf dem holländischen Schiff zu regen.]


Steuermann, laß die Wacht!
Steuermann! her zu uns!
Ho! He! Je! Ha!
Hißt die Segel auf! Anker fest!
Steuermann, her!
Wachten manche Nacht bei Sturm und Graus,
tranken oft des Meer's gesalz'nes Naß:
heute wachen wir bei Saus und Schmaus,
besseres Getränk gibt Mädel uns vom Faß.
Hussassahe!
Klipp' und Sturm draus' -
Jollolohe!
lachen wir aus!
Hussassahe!
Segel ein! Anker fest!
Klipp' und Sturm lachen wir aus!
Steuermann, laß die Wacht!
Steuermann, her zu uns!
Ho! He! Je! Ha!
Steuermann, her! Trink' mit uns!
Ho! He! Je! Ha!
Klipp' und Sturm' - ha!
sind vorbei, he!
Hussahe! Hallohe!
Hussahe! Steuermann! Ho!
Her, komm und trink mit uns!

[Das Meer, das sonst überall ruhig bleibt, hat sich im Umkreise des holländischen Schiffes zu heben begonnen; eine düstere, bläuliche Flamme lodert in diesem als Wachtfeuer auf. Sturmwind erhebt sich in dessen Tauen. - Die Mannschaft, von der man zuvor nichts sah, belebt sich.]

Die Mannschaft des Holländers
Johohoe! Johohoe! Hoe! Hoe! Hoe! . . . usw.
Hui-ssa!
Nach dem Land treibt der Sturm.
Hui-ssa!
In die Bucht laufet ein!
Schwarzer Hauptmann, geh ans Land!
sieben Jahre sind vorbei!
Frei' um blonden Mädchens Hand!
Blondes Mädchen, sie ihm treu'!
Lustig heut', hui!
Bräutigam! Hui!
Sturmwind heult Brautmusik
Ozean tanzt dazu!
Hui! - Horch, er pfeift!
Kapitän, bist wieder da?
Hui! - Segel auf!
Deine Braut - sag', wo sie blieb?
Hui! - Auf, in See!
Kapitän! Kapitän!
Hast kein Glück in der Lieb'!
Hahaha!
Sause, Sturmwind, heule zu!
Unsern Sgeln läßt du Ruh'!
Satan hat sie uns gefeit,
reißen nicht in Ewigkeit!
Hohoe! Nicht in Ewigkeit!
[Während des Gesanges der Holländer wird ihr Schiff von den Wogen auf und ab getragen; furchtbarer Sturmwind heult und pfeift durch die nackten Taue. Die Luft und das Meer bleiben, außer in der nächsten Umgebung des holländischen Schiffes, ruhig Schiffes, ruhig wie zuvor.]

Matrosen des Norwegers
Welcher Sang! Ist es Spuk?
Wie mich's graust!
Stimmet an - unser Lied!
Singet laut!
Steurmann, laß die Wacht!
Steurmann, her zu uns!
Ho! He! Je! Ha! . . . usw.
Singet laut! Lauter!

[Der Gesang der Mannschaft des Holländers wird in einzelnen Strophen immer stärker wiederholt; die Norweger suchen ihn mit ihrem Lied zu übertäuben; nach vergeblichen Versuchen bringt sie das Tosen des Meeres, das Sausen, Heulen und Pfeifen des unnatürlichen Sturmes sowie der immer wilder werdende Gesang der Holländer zum Schweigen. Sie ziehen sich zurück, schalgen das Kreuz und verlassen das Verdeck; die Holländer, als sie dies sehen, erheben ein gellendes Hohngelächter. Sodann herrscht mit einem Male auf ihrem Schiffe wieder die Totenstille; Luft und Meer werden in einem Augenblick wieder ruhig, wie zuvor.]

Senta kommt bewegten Schrittes aus dem Hause; ihr folgt Erik in höchster Aufregung.

Erik
Was mußt ich hören? Gott, was muß ich sehen?
Ist's Täuschung? Wahrheit? Ist es Tat?

Senta
O frage nicht! Antwort darf ich nicht geben.

Erik
Gerechter Gott! Kein Zweifel! Es ist wahr!
Welch unheilvolle Macht riß dich dahin?
Welche Gewalt verfuehrte dich so schnell,
grausam zu brechen dieses treuste Herz!
Dein Vater - ha - Den Bräut'gam bracht' er mit . . .
Wohl kenn' ich ihn mir ahnte, was geschieht!
Doch du . . . ist's möglich! - reichest deine Hand
dem Mann, der deine
Schwelle kaum betrat.

Senta
Nicht wieter! Schweig'! Ich muß! ich muß!

Erik
O des Gehorsams, blind wie deine Tat!
Den Wink des Vaters nanntest du willkommen,
mit einem Stoß vernichtest du mein Herz!

Senta
Nicht mehr! nicht mehr!
Ich darf dich nicht mehr seh'n,
nicht an dich denken - hohe Pflicht gebeut's!

Erik
Welch hohe Pflicht? Ist's höh're nich zu halten,
was du mir einst gelobtest, ewige Treue?

Senta
Wie? Ew'ge Treue hätt' ich dir gelobt?

Erik
Senta! O Senta! Leugnest du?
Willst jenes Tags dich nicht mehr entsinnen,
als du zu dir mich riefest in das Tal?


Als, dir des Hochlands Blume zu gewinnen,
mutvoll ich trug Beschwerden ohne Zahl?
Gedenkst du, wie auf steilem Felsenriffe
vom Ufer wir den Vater scheiden sah'n?
Er zog dahin auf weiß beschwingtem Schiffe,
und meinem Schutz vertraute er dich an,
ja, meinem Schutz vertraute er dich an.
Als sich dein Arm um meinen Nacken schlang,
gestandest du mir Liebe nicht aufs neu'?
Was bei der Hände Druck mich hehr durchdrang,
sag', war's nicht Versich'rung deiner Treu'?

Der Holländer hat den Auffritt belauscht; in furchtbarer Aufregung bricht er jetzt hervor.

Holländer
Verloren! Ach! verloren!
Ewig verlor'nes Heil!

Erik
Was seh' ich? Gott!

Holländer
Senta, leb' wohl!

Senta [sich im in den Weg werfend]
Halt ein, Unsel'ger!

Erik [zu Senta]
Was beginnst du?

Holländer
In See! - In See für ew'ge Zeiten!
[zu Senta]
Um deine Treue ist's getan,
um deine Treue - um mein Heil!
Leb' wohl, ich will dich nicht verderben!

Erik
Entsetzlich! Dieser Blick . . . !

Senta[wie vorher]
Halt' ein! Von dannen sollst du nimmer flieh'n!

Holländer [gibt seiner Mannschaft ein gellendes Zeichen auf einer Schiffspfeife.]
Segel auf! Anker los!
Sagt Lebewohl auf Ewigkeit dem lande!
Fort auf das Meer triebt's mich auf's neue!
Ich zweifl' an dir! Ich zweiff' an Gott!
Dahin, dahin, ist alle Treue!
Was du gelobtest, war dir Spott!

Senta
Ha! Zweifelst du an meiner Treue?
Unsel'ger, was verblendet dich?
Halt' ein! Das Bündnis nicht bereue!
Was ich gelobte, halte ich!

Erik
Was hör' ich! Gott, was muß ich sehen?
Muß ich dem Ohr, dem Auge trau'n?
Senta! Willst du zugrunde gehen?
Zu mir! Du bist in Satans Klau'n!

Holländer
Erfahre das Geschick, vor dem ich dich bewahr'!
Verdammt bin ich zum gräßlichsten der Lose;
zehnfacher Tod wär' mir erwünschte Lust!
Vom Fluch ein Weib allein mich kann erlösen,
ein Weib, das Treu' bis in den Tod mir hält.
Wohl hast du Treue mir gelobt, doch vor
dem Ewigen noch nicht; dies rettet dich!
Denn wiss', Unsel'ge, welches das Geschick,
das jene trifft, die mir die Treue brechen:
ew'ge Verdammnis ist ihr Los!
Zahllose Opfer fielen diesem Spruch durch mich!
du aber sollst gerettet sein!
Leb' wohl! Bahr' him, mein Heil, in Ewigkeit!

Erik [in furchtbarer Angst]
Zu Hilfe! Rettet, rettet sie!

Senta[in höchster Aufregung]
Wohl' kenn' ich dich! Wohl kenn' ich dein Geschick!
Ich kannte dich, als ich zuerst dich sah!


Das Ende deiner Qual ist da! - ich bin's.
durch deren Treu' dein Heil du finden sollst!

Auf Eriks Hilferufe sind Daland, Mary die Mädchen und die Matrosen herbeigeeilt.

Erik
Helft ihr! Sie ist verloren!

Daland, Mary, und Chor
Was erblick' ich!

Daland
Gott!

Holländer [zu Senta]
Du kennst mich nicht,
du ahnst nicht, wer ich bin!

Er deutet auf sein Schiff, dessen rote Segel aufgespannt sind und dessen Mannschaft in gespenstischer Regsamkeit die Abfahrt vorbereitet.


Befrag' die Meere aller Zonen, befrag'
den Seemann, der den Ozean durchstrich,
er kennt dies Schiff, das Schrecken aller Frommen:
den fliegenden Holländer nennt man mich.

Die Mannschaft des Holländers
Johohoe! Johohohoe! Hoe! Hui-ssa!

Schnell langt er am Bord seines Schiffes an, das augenblicklich unter dem Seerufe der Mannschaft abfährt. Senta sucht sich mit Gewalt von Daland und Erik loszuwinden.

Mary, Erik, Daland, und Chor
Senta! Senta! Was willst du tun?

Senta hat sich mit wütender Kraft losgerissen und erreicht ein vorstehendes Felsenriff: von da aus ruft sie dem absegeinden Holländer nach.

Senta
Preis' deinen Engel und sein Gebot!
Hier steh' ich, treu dir bis zum Tod!
Sie stürzt sich in das Meer; in demselben Augenblicke versinkt das Schiff des Holländers und verschwindet schnell in Trümmern. In weiter Ferne entsteigen dem Wasser der Holländers Ferne entsteigen dem Wasser der Holländer und Senta, beide in verklärter Gestalt; er hält sie umschlungen.


ENDE DER OPER


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Monday, 08-Dec-2003 21:40:53 PST