ANTONIO GHISLANZONI (JULIUS SCHANZ) / GIUSEPPE VERDI OperaGlass Libretto
Aida
Für die deutsche Bühne bearbeitet von Julius Schanz
Italienisch/Deutsch


                                AIDA

                         OPER IN VIER AKTEN
                                 VON
                            GIUSEPPE VERDI
                     TEXT VON ANTONIO GHISLANZONI
         Für die deutsche Bühne bearbeitet von Julius Schanz

                              PERSONEN

Der König  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  Bass

Amneris, seine Töchter .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  Mezzo-Sopran

Aida, æthiopische Sclavin .  .  .  .  .  .  .  .  .  Sopran

Radamès, Feldherr   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  Tenor

Ramphis, Oberpriester  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  Bass

Amonasro, König von Æthiopien und Vater Aida's .  .  Bariton

Ein Bote   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  Tenor

  Priester, Priesterinnen, Minister, Hauptleute, Soldaten.
         Beamte, Sclaven, gefangene Aethiopier, Volk.


Der Handlung spielt in Theben und Memphis zur Zeit des Herrschaft
                           der Pharaonen.	

                             ERSTER AKT

                             ERSTE SCENE

                  Saal im Königspalaste zu Memphis.

  Rechts und links ein Säulengang mit Statuen blühenden Sträuchern.
  — Im Hintergrunde ein grosses Thor, durch das man die Tempel und
  Paläste von Memphis und die Pyramiden sieht.

                          Radamès — Ramphis.

RAM.    Rings geht die Stimme, der Æthiopier wage
        Uns noch zu trotzen und das Nilgestade
        Und Theben zu bedroh'n — Bald wird's ein Bote
        Verkünden uns.

RAD.                   Hast Isis
        Du schon um Rath gefraget?

RAM.                             Schon hat die Göttin
        Den Egyptern bestimmt,
        Wer sie führen soll.

RAD.                        Heil dem Erkornen!

RAM. [mit Ausdruck Radamès anblickend]
        Jung ist er, jung noch und tapfer. — Der Göttin Willen
        Künd'ich dem Könige jetzt.                           [ab]

RAD. [allein]                    Wenn ich erkören wäre
        Sich mein Traum so erfüllte!…
        Ein Heerschaar tapfrer Männer
        Von mir geführet… und der Sieg und Beifall
        Von Memphis mein, wenn ich zu dir, Aida,
        Dann heim mit Lorbeern kehre
        Und sag': Ich kämpft' für dich, dein ist die Ehre!
        Holde Aida, himmelentstammend,
        Zauberndes Wesen von Blumen und Licht,
        Du bist die Königin meiner Gedanken,
        Giebst meinem Leben einzig Gewicht.
        Möcht' in die Himmel wieder dich bringen,
        Dort wo die Luft und der Himmel so schön,
        Möcht' eine Krone ins Haar dir schlingen,
        Dir einen Thron bis zur Sonne erhöh'n! 


                         Amnerisder Vorige

AMN.    Welch' unnennbares Feuer
        In deinem Auge! Was glänzet
        Dein Antlitz so von edel hohem Stolze?
        Wie beneidenswürdig
        Ach, müsste das Weib sein, dessen holder Anblick
        Solch' Flammenmeer im Busen dir entfachte.

RAD.    Ein rosiger Traum hat heut mein Herz berauschet:
        Heut hat die Göttin
        Genannt den Namen des Feldherrn, der Egyptens
        Schaaren führen soll zum Kampf. Ach, wär' ich doch
        In solchem Rang erkoren!…

AMN.    Hat kein andrer Traum je
        Schöner dir, holder dir
        Beseliget dein Herz? Hast du in Memphis
        Nichts zu wünschen… Nichts zu hoffen?…

RAD.                                 Hier!… (Seltsam Fragen!)
        (Hat sie vielleicht errathen
        Was mir im Herzen glühet?
        Hat sie im Aug' gelesen
        Der Sclavin Namen mir?)

AMN.    (Weh' wehe! erglüht im Herzen
        Ihm eine andre Liebe,
        Weh, wenn mein Blick entdecken müsst
        Ein schwarz Geheimniss hier!)  


                          Aidadie Vorige

RAD. [Aida erblickend]  Sie hier!

AMN.       (Er entfärbt sich und welchen Blick
           Entsendet er zu ihr!
           Aida — als Rivalin
           Gar stände sie vor mir?)
                    [nach kurzem Schweigen, sich zu Aida wendend]
           Komm, o Geliebte, nahe dich,
           Nicht Sclavin, nicht Verbannte,
           Hier wo in süsser Schwärmerei
           Ich oft dich Schwester nannte.
           Du weinst? Enthülle mir den Grund,
           Sag' mir, warum du weinst.

AIDA       Weh' mir, das wilde Kriegsgeschrei
           Vernehm' ich nur voll Schauer,
           Ich fürchte für das Vaterland,
           Für mich, für euch nur Trauer.

AMN.       Sprichst du auch wahr, kein andrer Grund,
           Dass so betrübt du scheinst?
            [Aida schlägt die Augen nieder und sucht ihre innere
                                             Unruhe zu verbergen]
AMN. [mit unterdrückter Stimme gegen Aida]
           (Erbebe, Sclavin, bebe!
           Hell wird die Wahrheit scheinen,
           Schamröthe hältst und Weinen
           Du nimmermehr zurück).

AIDA       (Ach nein, ums arme Vaterland
           Nicht härm' ich mich alleine —
           Mein Gram, warum ich weine,
           Ist Liebe ohne Glück).

RAD. [Amneris anblickend]
           (In ihrem Antlitz kämpfen
           Verdacht und Zorn und Schmerzen,
           Weh', wenn geheim im Herzen
           Uns lesen könnt' ihr Blick).


   Der König, unter Vortritt seiner Leibwache, begleitet
     von Ramphis, Ministern, Priestern, Hauptleuten. Ein
     Palastofficier, später ein Bote.

KÖNIG   Ein ernster Grund versammelt euch
        Um euren König heut, Egypter.
        Von Aethiopiens Grenzen ist ein Bote
        Vor uns erschienen, wicht'ge Kunde meldend.
        Vernehmt die Botschaft…
                [zu einem Officier]
                              Lasset herein der Sendling!

BOTE    Egyptens heil'ger Boden ist bedrohet
        Vom Volk der Æthiopier — unsre Felder
        Wurden verwüstet — öde liegt die Ernte.
        Vom leichten Sieg geblähet und stolz ziehen die Plündrer
        Im Sturme schon auf Theben

ALLE                              O welch' ein Wagen!

BOTE    Tapf'ren Namen trägt, unbesiegt,
        Der Feldherr, der sie führet, Amonasro.

ALLE                                         Ihr Fürst!

AIDA                                            (Mein Vater!)

BOTE    Theben, in Waffen, aus seinen hundert Thoren
        Wird kühn auf die Barbaren stürzen sich
        Und Krieg und Tod verbreiten.

KÖNIG   Ja: Krieg und Tod! es sei der Schlachtruf Aller!

ALLE    Zum Kampf! Zum Kampf!

KÖNIG                       Ja, furchtbar, ohne erbarmen.
                   [sich zu Radamès wendend]
        Schon hat die heil'ge Isis
        Den Feldherrn auserkoren
        Für uns'rer Krieger unbesiegte Schaaren.
        Radamès!

ALLE             Radamès.

RAD.                      Dank euch, o ihr Götter!
        Mein Sehnen ist erfüllt.

AMN.                            (Er Feldherr!)       

AIDA                                          (Ich zittre!)

KÖNIG   Nun zu dem Tempel Vulkans
        Eile, Krieger, dahin,
        Lege die eilige Wehr an, fliege dahin zum Siege!

        Zu des Niles heil'gem Ufer
        Eil' dahin, Egyptens Held,
        Jedes Herz erbeb' vom Rufe:
        Krieg und Tod dem fremden Heer!

RAMPHIS — PRIESTER
        Ruhm der Gottheit, denkt betend ihrer
        Die des Weltgeschickes Regierer,
        Einzig in der Gottheit Händen
        Ruht der Waffen Glück und Ehr'.

MINISTER — HAUPTLEUTE
        Auf! des Niles heilig Ufer
        Schützen wir mit unserm Blute,
        Alles jauchz't in einem Rufe:
        Krieg und Tod dem fremden Heer!

RAD.    Heil'ger Ruhmesdrang durchzittert
        Bebend meine ganze Seele.
        Auf! und eilen wir zum Siege:
        Krieg und Tod dem fremden Heer!

AMN. [indem sie Radamès eine Fahne überreicht]
        Nimm, o Herr, die stolze Fahne,
        Nimm sie hin aus meinen Händen,
        Als dein Leitstern sie dich mahne,
        Der den Pfad des Ruhms bescheint.

AIDA    (Ach! für wen wein' ich und bete?…
        Welche Macht zieht mich zu ihm?
        Muss ihn lieben, ach und er
        Ist ein Fremdling, ist ein Feind!)

ALLE    Zum Kampf! zum Kampf! dem Feinde Untergang,
        Kehr' siegend heim, kehr' im Triumphgesang!
                         [alle ab bis auf Aida]


AIDA    Kehr' im Triumphgesang! Auch meinem Munde
        Entfloh das Wort, so ruchlos! Kehr' als Sieger
        Meines Vaters;… der nur für mich die Waffen
        Ergriff, mir neu zu geben
        Die Heimath, eine Hofburg und einen Namen,
        Den hier ich muss verbergen — Kehr' als Sieger
        Meiner Brüder, dass ich geröthet
        Von ihrem Blut dich sehe, im Triumph gefeiert
        Von Egyptens Volke… am Siegeswagen
        Ein Fürst… mein Vater, schwer gebeugt in Ketten!

        Die Worte der Thörin,
        O Götter, schlagt nieder,
        Dem Busen des Vaters
        Die Tochter gebt wieder;
        Die Horden vernichtet,
        Zerstreuet den Feind!

        Ach! Unglückselige, was sagt' ich? und meine Liebe?
        Kann also vergessen ich
        Dies heisse Liebesglühn, das die verhärmte,
        Die Sclavin wie ein Strahl der Sonne wärmte? —
        Ich muss den Tod dir wünschen,
        Dir, Radamès, dir, den so heiss ich liebe!
        Ach, niemals brach auf Erden
        Ein Herz in so verzweifeltem Getriebe.

        Vater, Geliebter, heilige Namen, keinen
        Darf ich hier nennen, ihrer denken nicht.
        Um eins, ums andre möcht' ich traurug weinen,
        Für Beide mahnt zu beten mich die Pflicht.
        Doch mein Gebet wird sich als Fluch erfüllen,
        Mein Weinen und mein Seufzen wird zur Schuld,
        Nur Nacht und Schwermuth meinen Geist umhüllen,
        Es wär das Sterben mir die höchste Huld!

        Götter erbarmt huldvoll euch mein,
        Hoffnung ist nicht für meinen Schmerz,
        Trostlose Liebe spaltet mein Herz,
        Bringt mir den Tod durch ihre Pein.                  [ab]    


                            ZWEITE SCENE

                   Tempel des Vulcan in Memphis

     Geheimnissvolles Licht von oben. —  Eine lange Säulenhalle
     verliert sich im Dunkel. Statuen verschiedener Gottheiten.
     In der mitte  erhebt sich ein Altar  mit Teppichen bedeckt
     und den heiligen Emblemen verziert. Aus goldnen Dreifüssen
     steigt Weihrauchduft empor.

     Priester und Priesterinnen, Ramphis aam Fusse des Altars,
       später Radamès. Man vernimmt aus dem Innern den Gesang
       der Priesterinnen mit Harfenbegleitung.

PRIESTERINNEN [im Innern]
                Allmächt'ger Phtà, urew'ger
                Lebenshauch der Welt,
                Dich rufen wir!
                                 —
                Allmächt'ger Phtà, Befruchter
                Schöpferhauch der Welt,
                Dich rufen wir!
                                 —
                Dich, unerschaffnes Feuer,
                Der Sonne Lebenslicht,
                Dich rufen wir!
                                 —
PRIESTER        Der aus dem Nichts geschaffen
                Himmel, Erde und Meer,
                Dich rufen wir!
                                 —
                Gott, der vom eig'nen Geiste
                Du Sohn und Vater bist,
                Dich rufen wir!
                                 —
                Odem des Universums
                Der ew'gen Liebe Quell,
                Dich rufen wir!

   [Radamès wird ohne Waffen hereingeführt. Während er an dem
      Altar tritt, führen die Priesterinnen den heiligen Tanz
      aus, sein Haupt wird mit einem Schleier bedeckt]

RAM.    Heil dir, dem Götterliebling, dem sie vertrauet
        Egyptens Leben und Zukunft, das heil'ge Schlachtschwert
        Vom Gott geschmiedet, flamm' in deinen Händen
        Der feinde Schrecken, Blitzstrahl und Verderben.
                                      [sich zur Gottheit wendend]
        Gott, Gott, der du Beschützer bist 
        Und Rächerarm Egyptens,
        Breit' aus die Hände gnädig
        Auf dieses heil'ge Land.

RAD.    Gott, Gott, der du die Loose lenkst
        Im Krieg der Erdenvölker,
        Wahre, behüte du
        Egyptens heil'ges Land.

      [Während Radamès mit den heiligen Waffen umgürtet wird,
       wiederholen die Priesterinnen und Priester singend das
       Gebet und den mystichen Tanz]

                             ZWEITER AKT

                             ERSTE SCENE

                       Saal in Amneris' Wohnung.

    Amneris von Sclavinnen umgeben, welche sie zum Feste schmücken.
    Aus Dreifüssen steigen aromatische Düfte,  junge Mohrensclaven
    wehen ihr mit Pfauenfächern Kühlung zu.

SCLAV.  Wer steigt beim Klang der Hymnen
        Auf in der Glorie Reich,
        Gleich einem schreckenvollen Gott,
        An Glanz der Sonne gleich?
        Komm', lasse Blumen winden
        Dir in die Lorbeerkron',
        Lass Liebesklänge tönen
        Zum lauten Jubelton.

AMN.    (Geliebter, komm', berausche mich,
        Froh bebt das Herz mir schon!)

SCLAV.  Wo sind die wilden Horden
        Des kühnen Fremdlings heut?
        Es hat der Hauch des Helden
        Wie Nebel sie zerstreut.
        Komm', komm', o Sieggekrönter,
        Empfange deinen Lohn,
        Der Sieg hat dir gelächelt,
        Auch Liebe lacht dir schon.

AMN.    (Geliebter, komm', berausche mich,
        Mein Herz erbebet schon.)

        Kein Wort mehr, Aida seh' ich nahen —
        Kind der Besiegten, dein Schmerz ist mir heilig.
              [auf einen Zeichen von Amneris entfernt sich Alles]
        Kaum dass sie nahet, quälet mich
        Der Zweifel ach! auf's Neue —
        Löse dich endlich, düster Geheimniss! —


                           Amneris — Aida.

AMN. [zu Aida, mit erheuchelter Freundlichkeit]
        Ach, es war des Waffen Loos feind euch!
        Arme Aida! Die Trauer,
        Die du fühlest im Herzen, theile ich.
        Ich bin deine Freundin —
        Geb' Alles dir gerne, nur lächle wieder.

AIDA    Kann froh ich wieder werden
        Fern von der Heimath Erden, hier, wo das Schicksal
        Mir fremd meines Vaters, meiner Brüder? —

AMN.    Fühle mein Mitleid! Aber einmal endet
        Ein jedes Weh der Welt! — Heilen wird die Zeit
        Die Qualen deines Herzens,
        Mehr als die Zeit noch — die Allmacht der Liebe.

AIDA [tief bewegt]
        (Liebe, Liebe, o Glück, o Beben,
        Süsse Berauschung, grausame Pein,
        In deinen Qualen wohnet mein Leben,
        Lächelnd zum Himmel führst du mich ein).

AMN. [Aida fest anschauend]
        (Jene Blässe voll Verstörung
        Ist geheime, fiebernde Glut,
        Fühle dieselbe Qual und Bethörung,
        Kaum sie zu fragen hab' ich den Muth.
                                   [zu Aida, sie fest anschauend]
        O sag, warum aufs Neue bist,
        Aida, du so trübe?
        Enthülle dein Geheimniss mir,
        Vertrau' dich meiner Liebe.
        Hat wer der Tapfern, die gekämpft
        Zum Wehe deinem Lande,
        Vielleicht in süsse Bande
        Geschlagen dein armes Herz?

AIDA    Was sagst du?

AMN.                Grausam zeigte sich
        Der Waffenloos nicht Allen,
        Ist in die Kampfe als ein Held
        Der Führer auch gefallen.

AIDA    Was sagst du, Unglückselige? Radamès?

AMN.    Ja, Radamès erlag den Deinen,
        Und du kannst weinen? —

AIDA    Für immer trüg' ich Schmerz!

AMN.    Die Gottheit hat gerichtet…

AIDA                              War doch die Gottheit
        Mir feindlich immer…

AMN. [in Zorn ausbrechend]
                          Bebe, offen liegt dein Herz:
        Du liebst ihn!

AIDA                 Lieben?

AMN.                       Keine Lüge!
        Noch ein Wort und Alles ist klar!…
        Blick mir ins Antlitz,
        Du bist getäuschet — — Radamès lebet!

AIDA [in Aufregung auf die Knie stürzend]    Lebet?!
        O Dank den Göttern!

AMN.                      Und wagest noch zu lügen?
        Ja, du liebst ihn — doch ich auch       [in der höchsten
        Ja lieb' ihn, bin deine Rivalin,               Aufregung]
        Ich, die Tochter der Pharaonen…

AIDA [sich stolz aufrichtend]
                                      Meine Rivalin?
        Wohlan, es sei denn, auch ich
        Bin's dir…                              [zusammenfahrend]
                 Ach, was sagte ich? Mitleid, Verzeihung!
        Mitleid empfinde mit meinem Leide,
        In Wahrheit, ich lieb' ihn, wir lieben Beide,
        Du, du bist glücklich, — doch wehe mir Armen,
        In dieser Liebe leb' ich allein!
        Erbarme, erbarme, erbarme dich mein!

AMN.    Erbebe, Sclavin, dein Herze bezwinge,
        Dass diese Liebe den Tod dir nicht bringe,
        Siehe, dein Schicksal, ich hab' es in Händen,
        Hass nur und Rache nur nehmen mich ein.
                        [Musik in Innern]
        Zu dem Fest, das sie bereiten,
        Sollst du, Sclavin, mich begleiten;
        Du im Staube hingeworfen,
        Ich am Thron', dem König nah:
        Folge mir und lern' in Zeiten,
        Ob du mir Rivalin da.

AIDA    Eine Wüste, weh' mir Armen,
        Ist mein Dasein, hab' Erbarmen!
        Leb' und herrsche, bald gesühnet
        Soll durch mich dein Zürnen sein,
        Ich mit meiner Glut, der warmen,
        Steige in das Grab hinein.


                           ZWEITE SCENE

                      Vor einem Thore Thebens.

  Links von einer Gruppe von Palmen der Tempel des Ammon, rechts
     ein Thron unter einem Baldachin von Purpur. Im Hintergrunde
     eine Ehrenpforte. Volk.

   Der König, in seinem Gefolge Minister, Priester, Hauptleute,
     Wedelträger, Wappenträger, u. a. Hierauf Amneris mit Aida 
     und Sclavinnen.  Der König nimmt auf dem Throne Platz,
     Amneris zu seiner Linken.

VOLK        Heil der Egypten, Isis Heil,
            Die unser Land beschützet;
            Des heil'gen Delta's König
            Ertöne Festgesang,
            Komm', Krieger, unser Rächer du,
            Die Lust mit uns zu theilen;
            Wir streuen Blumen und Lorbeern
            Auf uns'rer Helden Gang.

FRAUEN      Der Lotos wind' zum Lorbeer
            Ins Haar sich der Befreier,
            Ein duft'ger Blumenschreier
            Schmück' ihre Waffen hold.
            Zum Tanz! Egyptens Mädchen, tanzt
            Die alte Zauberweise,
            Wie um die Sonn' im Kreise
            Das Chor der Sterne rollt.

PRIESTER    Empor dem Blick zu denen auf,
            Die krönen und zerschmettern,
            Bringt Dank, bringt Dank den Göttern
            An euren Siegestag.

  [Die egyptischen Krieger zichen unter Musikbegleitung am König
   vorüber, ihnen folgen die Kriegswagen, die Wappen, die heiligen
   Gefässe und Götterbilder, ferner eine Schaar Tänzerinnen, welche
   die Schätze der Besiegten tragen, zuletzt Radamès unter einem
   von zwölf Officieren getragenen Thronhimmel].

KÖNIG [steigt vom Throne, um Radamès zu umarmen]
        Dir Dank und Gruss, du Retter dieses Landes,
        Komm', meine Tochter soll mit eig'nen Händen
        Den Kranz dir überreichen.
[Radamès neigt sich vor Amneris, welche ihm den Kranz überreicht]

KÖNIG [zu Radamès]               Verlang' an diesem Tage
        Was du auch mögest, nichts sei dir verweigert
        In dieser Stunde, ich schwör es
        Bei meiner Königskrone, bei den heil'gen Göttern.

RAD.    Erlaub' zuvor, dass die Gefang'nen seien
        Dir vorgeführt…

        [die äthiopischen Gefangnen nahen, von Wachen begleitet,
         zuletzt Amonasro in Officierskleidung]

AIDA                    Himmel, er ist's, mein Vater!

ALLE    Ihr Vater!

AMN.               In unsern Händen! —

AIDA [ihren Vater umarmend]
        Du Gefangener?!

AMON. [leise zu Aida]   Still, kein Wort.

KÖNIG [zu Amonasro]                      Tritt näher —
        Also du bist? —

AMON.                  Ihr Vater — ich hab' gekämpft —
        Wir unterlagen, ich sucht' umsonst den Tod.
                                 [auf sein Kriegergewand deutend]
        Dies Gewand, das ich trage, bezeuge,
        Dass für den König mein Schwert ich gezogen.
        Doch das Schicksal nicht war uns gewogen,
        Ach, umsonst war der Tapferen Muth.
        Vor mir im Staube erlag der König,
        Hingestreckt von den feindlichen Hieben. —
        Wenn es Verbrechen sein Vaterland lieben,
        Büssen die Schuld wir gern mit dem Blut.
                           [in bittendem Tone zum König gewendet]
        Doch du, Herr, du der Könige Blüthe,
        Zeige Diesen beseelt dich von Güte;
        Heute sind wir vom Schicksal geschlagen,
        Morgen kann treffen euch sein Strahl.

AIDA, GEFANGENE, SCLAVINNEN
        Ja es straften die Götter uns Armen;
        Hör unser Flehen Herr, hab' Erbarmen;
        Niemals sei dir beschieden zu tragen
        Alles was uns beschieden zur Qual.

RAMPHIS, PRIESTER
        Zeige dich, Herr, diesen Horden im Grimme,
        Schliesse dein Ohr vor der Treulosen Stimme,
        Hat der Himmel dem Tod sie geweihet,
        Sei der Gottheit Willen erfüllt.

VOLK    Priester, o Priester, besänftet das Zürnen,
        Hört die Besiegten, sie neigen die Stirnen;
        Du bist mächtig, bist Herr und König,
        Gnädig ach! öffne dein Herz und sei mild.

RAD. [Aida anblickend]
        (Liebliches Antlitz, die Trauer, das Weinen,
        Lässt meinem Aug' nur sie holder erscheinen.
        Jeder Tropfen der köstlichen Thränen
        Nähret im Busen die liebende Glut.)

AMN.    (Welch' ein Auge voller Entzücken,
        Welch' eine Flamme entsprüht seinen Blicken!
        Ich verschmäht, vom Geliebten verstossen —
        Rache nur tobt mir im Herzen voll Wuth).

KÖNIG   Jetzt, wo hold sich die Götter uns neigen,
        Wollen diesen wir mild uns bezeigen;
        Milde, Mitleid erfreuet die Götter
        Und den Kön'gen erhöht sie die Macht.

RAD. [zum König]  O Fürst, bei den heil'gen Göttern,
        Bei dem Glanze deiner Krone
        Schwurst meinen Wunsch du zu erfüllen.

KÖNIG                                        Ich that's.

RAD.    Nun wohl, für die gefangnen Aethiopier
        Bitt' Leben ich und Freiheit aus.

AMN.                                    (Für Alle!)

PRI.    Tod den Feinden des Vaterlandes!

VOLK                                   Gnade
        Für die Geschlagenen!

RAM.                        Vernimm o Fürst —        [zu Radamès]
        Du jugendlicher Held,
        Hört einen weisen Rath:

        Feinde sind es, tapfre Degen
        Rache kocht in ihrer Brust.
        Eure Gnade macht sie verwegen,
        Wecket zum Kampfe nur neue Lust.

RAD.    Ohn' Amonasro's tapfres Schwert bleibt ihnen
        Kein Strahl von Hoffnung.

RAM.                            Zum mind'sten
        Bleibe als Friednspfand
        Auch mit dem Vater Aida.


KÖNIG                           Ich thue nach deinem Rathe.
        Ein bessres Pfand des Friedens
        Will ich euch noch geben — Radamès, das Vaterland
        Schuldet dir Alles — Amneris zum Lohne
        Reich' ihre Hand dir. Ueber Egypten als König
        Wirst du einst herrschen.

AMN.                            (Wage die Sklavin,
        Wage sie nun, den Theuren mir zu rauben!)

KÖNIG   Heil dir Egypten, Isis Heil,
        Die unser Land beschützet,
        Zum Lorbeer wind' der Lotos
        Dem Helden sich ins Haar.

PRI.    Der Isis töne Lobgesang,
        Die unser Land beschützet,
        Es lächle unserm Vaterland
        Der Himmel immerdar.

AIDA    (Welch' Hoffen, ach verblieb mir!
        Für ihn der Ruhm, die Krone,
        Mir vergessen und Gram,
        Die ohne Offnung liebt).

GEF.    Ruhm, Preis und Ruhm Egyptens Fürst,
        Der unsre Bande löste,
        Den heimatlichen Gauen uns,
        Die Freiheit wiedergiebt.

RAD.    (Mag' seine Blitz ein Gott
        Aufs Haupt herab mir senden,
        Nein, nein, es wiegt Egyptens Thron
        Aida's Herz nicht auf.)

AMN.    (Berauscht bin ich von all' dem Glück,
        Auf das ich niemals hoffte, —
        All' meine Träume machte wahr
        Ein Tag in seinem Lauf).

AMON. [zu Aida]
        Nur Muth, denk' an die Zukunft,
        Die Zukunft deiner Heimat;
        Die Stunde der Rache
        Sie nahet schon fürwahr.

VOLK    Heil der Egypten, Isis Heil,
        Die unser Land beschützet;
        Zum Lorbeer wind' der Lotos
        Dem Helden sich ins Haar.

                             DRITTER AKT

                          Am Ufer des Nils.

    Granitfelsen,  zwischen denen sich Palmbäume erheben.  Rechts
    auf dem Rücken des Felsens der Isistempel, zur Hälfte im Laub
    verborgen. Nacht, Mondschein und Sternenglanz.

CHOR            O Göttin. die Osiris einst            [im Tempel]
                Zum Leben liess erwarmen,         
                In's Menschenherz die Flamme haucht
                Der Keuschheit fort und fort:
                Hilf, hilf uns voll Erbarmen,
                Der ew'gen Liebe Hort!

      [Amneris,  Ramphis,  einige dichtverschleierte Frauen und
      Leibwachen steigen aus einer Barke, welche am Ufer anlegt]

RAM.    Komm' in der Isis Tempel, wenige Stunden       [zu Amn.]
        Vor deiner Hochzeit, erflehe
        Dir der Beistand der Göttin — Isis schauet
        In die Herzen der Menschen — jedes Geheimniss
        Hier im Weltkreis ist kund ihr.

AMN.    Ja, ich will flehen, dass Radamès mir schenke
        Sein ganzes Herz, wie ihm das meine
        Geweihet ist für immer.

RAM.                          Zum Tempel!
        Du wirst beten, die Nacht durch, mit mir vereinet.

       [Alle treten in den Tempel, der Chor wiederholt das Gebet]

AIDA [verschleiert, tritt vorsichtig ein]
        Bald kommt Radamès! Was wird er wollen?
        Ich bebe — Ach, wenn du kämest
        Zum Abschied, zum letzten Lebewohl, —
        Des Niles dunkle Tiefe wird
        Sodann mein Grab sein, Ruhe mir geben, Frieden und Vergessen.
        Azurne Bläue, heimatliche Lüfte,
        Wo hell der Morgen schien auf mich daher,
        O grüne Hügel, Strand voll Blumendüfte,
        Dich, mein Geburtsland, schau' ich nimmermehr.
        O kühles Thal, Asyl einst meinen Tagen,
        Das von der Liebe mir verheissen war,
        Der Liebe Traum, er ist zu Grab getragen,
        Lieb' Vaterland, ich seh' dich nimmermehr.


                          Amonasro — Aida.

AIDA    Wehe! mein Vater!

AMON.                     Zu dir führt mich ein ernster Grund,
        Nichts von allem ist fremd mir.
        Du gluh'st in Liebe.
        Für Radamès, er liebt dich, er kommt hieher,
        Ein Königskind ist deine Nebenbuhlin —
        Unser Unheil, unser Fluch war stets ihr Geschlecht.

AIDA    Und ich in ihrer Macht, ich, Amonasro's
        Tochter! —

AMON.             In ihrer Hand? Nein, wenn du wünschest,
        Besiegen wirst du deine Rivalin
        Und Heimat und Liebe und Thron — Alles wird dein sein.

        Du wirst die duft'gen Wälder wiedersehen,
        Die kühlen Thäler, unsrer Tempel Gold!

AIDA    Ich soll die duft'gen Wälder wiedersehen.       [leiden-
        Die kühlen Thäler, unsrer Tempel Gold!        schaftlich]

AMON.   Als Gattin dessen, denn so sehr du liebest,
        Wird unermessner Jubel dich umweh'n.

AIDA    Nur einen Tag in solchen Glückes Zauber            [w.o.]
        Nur eine Stunde so, und dann vergeh'n.

AMON.   Ach, denke stets, was der Egypter grausam
        Dem Laud, dem Volk und seinen Tempeln bot,
        Jungfrau'n in Ketten hat er weg geführet,
        Mutter und Kind und Greise geweiht dem Tod.

AIDA    Ach, wohl gedenk' ich jener Schreckenstage
        Und was mein Herz getragen hat an Leid.
        Ach, lasst uns, Götter, nach der Noth und Klage
        Aufgeh'n die Sonne einer bessern Zeit.

AMON.   Nicht lang' mehr währt es, schon erhebt in Schaaren
        Sich unser Volksstamm, Alles muthbeseelt —
        Uns winkt der Sieg, nur gilt es zu erfahren
        Erst welchen Pfad des Feindes Heer gewählt.

AIDA    Wer vermag dies zu wissen? Sag' an!

AMON.                                      Du selber!

AIDA    Ich?! —

AMON.          Radamès kommt her, ich weiss es, er liebt dich,
        Er, das Haupt der Egypter… Verstehst du?

AIDA                                           O Schande!
        Was räthst du mir an? Nein nimmermehr!

AMON. [in wilder leidenschaft]
                Wohlauf denn, erhebt euch
                Egyptische Schaaren,
                Verheert unsre Städte
                Mit Feuer und Schwert…
                Verbreitet nur Schrecken,
                Nur Tod und Verwüstung, —
                Da Nichts euren Sieg mehr,
                Ihr Wüthriche, wehrt.

AIDA    Ach, mein Vater!…

AMON. [sie zurückstossend]  Du nennst
            Mein Kind dich!

AIDA [furchtsam und flehend]  Mitleid!

AMON.       Ströme voll Blutes fliessen hin
            Durch die besiegten Städte,
            Siehe, dem blutigen Wellenstrom
            Entsteigen dort die Erschlagnen,
            Zeigen auf dich und rufen aus:
            Dein Volk, es stirbt durch dich! —

AIDA        Vater, Erbarmen!

AMON.                      Sieh'! welch' drohende Schreckgestalt
            Nahet dort aus dem Schwarme,
            Zittre, die Knochenarme
            Legt auf dein Haupt sie dir.
            Deine Mutter erkenne,
            Siehe, sie flucht dir…

AIDA [in höchsten Entsetzen]
                                  Ach, mein Vater, Erbarmen!

AMON. [sie zurückstossend] Du bist mein Kind nicht,
        Niedre Sclavin der Pharaonen!

AIDA    Vater, ich bin nicht ihnen die Sclavin,
        Sprich keinen Fluch in blindem Verkennen,
        Kannst deine Tochter immer mich nennen,
        Werth meines Landes will ich noch sein.

AMON.   Denke, ein Volksstamm besiegt und zerschlagen,
        Er kann sich noch retten, durch dich nur allein.

AIDA    O Heimatliebe, was opfre ich dir!

AMON.   Fasse Muth, er kommt schon, ich lausche hier!
                                [verbirgt sich hinter den Palmen]


                           Radamès — Aida.

RAD.    Ich seh' dich wieder, meine Aida…

AIDA    Nicht näher — zurück — was hoffest du noch?

RAD.    In deine Nähe führt mich die Liebe.

AIDA    Ach, einer Andern gehörest du doch.
        Amneris liebt dich!

RAD.                      Geliebte, o nein!
        Dich nur, Aida, erkor ich zum Bund.
        Ich bin erhöret, nur du wirst mein.

AIDA    Entweihe der Meineid nie deinen Mund:
        Ich liebt' dich als Helden, als Meineidigen nicht.

RAD.    An meiner Liebe zweifelt Aida?

AIDA    Und hoffest du zu entgehen Amneris' Reizen,
        Des Königs Befehlen, deines Volkes Willen,
        Dem Zornesfluch der Priester? —

RAD.                                  Höre, Aida!
        Aufs Neue hat zum Kampf mit Wuthgeberde
        Æthiopiens' Volk vereint der Krieger Reihn,
        Schon überziehn die Deinen unsre Erde,
        Und der Egypter Führung, sie ist mein.
        Bei dem Triumphgesang unserer Heere,
        Will ich dem König mein Herz vertraun,
        Du bist der Kampfpreis, den ich begehre,
        Tempel der Liebe wollen wir bau'n.

AIDA    Und du hegst vor der Rache
        Amneris' keine Furcht? Ihre Vergeltung —
        Wie ein Blitz wird sie furchtbar
        Erschlagen mich und meinen Vater, uns Alle.

RAD.    Ich will euch schützen.

AIDA                          Umsonst, du vermagst es nicht, —
        Doch liebst du wahr mich bleibet noch ein Ausweg uns.

RAD.    Welcher?

AIDA             Entfliehn!

RAD.                        Entfliehn?

AIDA [in tiefer Bewegung]
       Ja, fliehen, ja flieh'n wir aus diesem Land,
       Zur Ferne lass uns fliehen;
       Dort wird ein neues Vaterland
       Unsrer Liebe blühen,
       Dort im jungfräulich grünen Wald,
       Von Blumenduft umgeben,
       Lässt uns ein neues Leben
       Nicht denken der Gefahr —
       In Lieb' und Glück, in Lieb und Glück
       Vergessen wir, was war.

RAD.   Zur Ferne entfliehn!
       Wo fremd ich wäre,
       Verlassen mein Vaterland
       Und seine Altäre?
       Den Boden, wo zuerst
       Ich Ruhmeskränze pflückte,
       Die Liebe uns entzückte,
       Vergess' ich nimmermehr.

AIDA   Mein Himmel lässt die Liebe
       Entfalten schönre Blüthen,
       Die gleichen Tempel bieten
       Dieselben Götter dar.

RAD. [zögernd] Aida!

AIDA               Du liebst nicht — Geh! —

RAD.                                      Nicht Lieben!
        Kein Sterblicher, kein Gott
        Hat je geliebt, wie ich für dich erglühe.

AIDA    Geh', geh', es harret dein
        Amneris.

RAD.            Nein, niemals!

AIDA                          Du sagtest niemals?
        Dann mög' das Richtbeil fallen
        Auf mich, auf meinen Vater.

RAD.                              Nein, nein, entfliehen wir.
                        [mit leidenschaftlicher Entschlossenheit]
        Lass uns flieh'n aus diesen Mauern,
        In die Wüste lass uns fliehen,
        Hier wohnt Unheil nur und Trauern,
        Dort die Liebe, dort das Glück,
        Die unendlich weite Wüste
        Bietet uns ein Brautbett gerne,
        Reiner werden Mond und Sterne
        Glänzen dort vor unserm Blick.

AIDA    Heitern Himmel, linde Lüfte
        Hat die Heimat meiner Vater,
        Jede Scholle hauchet Düfte,
        Alles Duft und Klang und Glück.
        Kühle Thäler, grüne Auen
        Bietet uns ein Brautbett gerne,
        Reiner werden Mond und Sterne
        Glänzen dort vor unserm Blick.

AIDA-RAD.   Komm', o komm', flieh'n wir zusammen
            Dieses Land der Qual und Pein,
            Komm', o komm', der Liebe Flammen
            Sollen unser Leitsern sein.
                                       [sie entfernen sich eilig]

AIDA [plötzlich innehaltend]
        Doch sage, auf welchem Wege
        Umgehn wir die Schaaren
        Der Besatzung?

RAD.                  Der Pfad, der wir gewählet,
        Zum Stoss auf den Feind, ist bis morgen
        Völlig verlassen.

AIDA                    Und welcher Pfad?

RAD.                                    Die Schluchten
        Von Nàpata.


                     Amonasro — Aida — Radamès.

AMON.              Bei Nàpata die Schluchten —
        Dort werden die Meinen sein…

RAD.                                O wer belauscht uns?

AMON.   Aida's Vater, der Æthiopier Fürst.

RAD. [in heftiger Bewegung]
        Du, Amonasro? du der Fürst? Götter, was sagt' ich?
        Nein, es ist Traum, es ist Schein, Wahn, Wahrheit nimmer.

AIDA    O mein Geliebter, höre mich,
        Vertraue meiner Liebe.

AMON.   Dir wird die Hand Aida's
        Erbauen einen Thron.

RAD.    Um dich verrieth ich Land und Volk,
        Weh', weh', ich bin entehret.

AMON.   Nein, nein, du bist nicht schuldig,
        Der Zufall hat's gekehret.
        Drüben am Ufer stehen
        Männer die uns ergeben,
        Dort wird die Liebe geben
        Dir allen ihren Lohn.


              Amneris, aus dem Tempel kommend, Ramphis,
                         Priester, Vorige.

AMN.    Falscher du!

AIDA                Meine Rivalin!…

AMON. [sich auf Amneris mit einem Dolche stürzend]
        Komm', zerstör', was ich vollbrachte.
        Falle!…

RAD. [ihm in den Arm fallend]  Bethörter, halt ein!…

AMON.                                      O verwünscht!

RAM.    Wachen herbei!

RAD. [zu Aida und Amonasro]
                      Eilet und fliehet!

AMON. [Aida mit sich fortreisend]
        Komm', meine Tochter!

RAM. [zu den Wachen]         Verfolgt die Flüchtigen.

RAD. [zu Ramphis]  Sei ruhig, Priester, ich bleibe dir.

                            VIERTER AKT

                            ERSTE SCENE

                      Saal in Königspalaste.

  Links ein Eingang. In der Mitte eine grosse Thüre, welche in
   den unterirdischen Gerichtssal führt.  —  Rechts Eingang zu
   Radamès Gefängniss.

Amneris [in trauriger Stellung vor der Thüre des
                                         unterirdischen Gewölbes].
        Entflohn ist die Rivalin, die verhasste —
        Vom Priestermund droht Radamès sein Urtheil,
        Die Strafe des Verräthers. — Ein Verräther
        Ist er wohl kaum, — doch er verrieth des Krieges
        Hohes Geheimniss, er wollte flieh'n mit ihr,
        Mit ihr entfliehen — Alle sind Verräther!
        Zum Tode! zum Tode! Nein, doch nein, was sag' ich?
        Ich lieb' ihn noch, noch immer… voll Verzweiflung,
        Ja Wahnsinn ist das Feuer dieser Liebe.
        Ach, könnte er mich lieben!
        Ich wollt' ihn retten — Doch wie?
        Ich thue es! — Wachen: Radamès — er komme!


            Radamès [von Wachen begleitet]Amneris.

AMN.            Die Priester sind versammelt schon,
                Dem Tode dich zu weihen;
                Vom Schreckensloos, dem drohenden,
                Kannst noch du dich befreien,
                Rechtfertige dich, ich will am Thron
                Um Gnade für dich flehen,
                Verziehn dir Alles sehen,
                In Freiheit dich gesetzt.

RAD.            Die Priester werden meiner That
                Rechtfertigung nie hören.
                Vor Gott und Menschen kann ich laut
                Auf meine Unschuld schwören:
                Ein unheilvoll Geheimniss
                Entfloh aus meinem Munde,
                Doch blieb im Herzensgrunde
                Die Ehre unverletzt.

AMN.            Vertheidige und rette dich.

RAD.            Nein.

AMN.                 Stirb' denn!

RAD.                             O das Leben
                Ist mir verhasst — es kann mir Glück
                Und Freude nimmer geben.
                Geflohn von jeder Hoffnung,
                Wünsch' ich allein den Tod.

AMN.            Du sterben? nein musst leben noch,
                In Liebe mir verbunden,
                Die grimme Pein des Todes schon
                Hab' ich um dich empfunden.
                O Leid in Liebessehnen,
                O Nacht voll bittrer Thränen —
                Vaterland, Krone und Leben
                Geb' Alles hin um dich.

RAD.            Für sie hab' ich auch Vaterland
                Und Ehre hingegeben.

AMN.            Kein Wort von ihr!…   

RAD.                               Mein harret
                Schande und soll noch leben?
                Was hab' ich leiden müssen,
                Aida mir entrissen,
                Vielleicht durch dich getödtet —
                Was hat die Welt für mich?

AMN.            Ich hätt' an ihren Tode Schuld?
                Nein, nein, sie lebet! —

RAD.                                   Lebet!

AMN.            Vom Seufzerhauch der Flüchtigen
                Verzweifelnden umschwebet,
                Fiel nur ihr Vater.

RAD.                                Und sie?

AMN.            Verschwand! Nicht eine Kunde
                Von ihr.

RAD.                    O führ' der Himmel sie
                Ins Vaterhaus zurücke,
                Nicht ahnend die Geschicke
                Dessen, der für sie stirbt.

AMN.            Wenn ich dich rette, schwöre, dass
                Du ihr nicht mehr ergeben.

RAD.            Ich kann nicht!…

AMN.                           O entsage ihr
                Auf immer, es gilt dein Leben.

RAD.            Ich kann nicht!

AMN.                           Höre noch einmal,
                Entsage ihr.

RAD.                        Vergebens!

AMN.            So müd bist du des Lebens?

RAD.            Ich bin zum Tod bereit.

AMN.          Wer beschützt dich, Unheilvoller,
              Vor dem Loos, das deiner wartet?
              Hast in Zorn und Wuth verwandelt
              Meine tiefe Zärtlichkeit;
              Rächen wird der Himmel selber
              Meine thränen, all' mein Leid.

RAD.          Ach, der Tod ist eine Wonne,
              Darf um sie ich ihn erleiden,
              So vom Erdendasein scheiden
              Muss erhab'ne Wonne sein:
              Fürchte nicht den Zorn der Menschen,
              Fürcht' dein Mitleid nur allein.
                           [Radamès ab, von den Wachen begleitet]

AMN. [sinkt trostlos auf eine Bank]
        Weh' mir, ich fühl', ich sterbe, wer wird ihn retten?
        In ihre Hand gab ich ihn selbst, o wie verwünsch' ich,
        O Eifersucht, dich nun, die sein Verderben
        Und meines Herzens ew'gen Gram verschuldet.
         [wendet sich um und sieht die Priester, welche über die
           Bühne schreiten, um in den unterirdischen Gerichtssal
           einzutreten]
        Was seh' ich?
        Des Todes finstre, unheilvolle Diener!
        Sähe ich niemals jene weissen Larven!
                            [verhüllt das Gesicht mit dem Händen]

PRIESTER [im unterirdischen Gemach]
        Lass, Geist der Gottheit, lass auf uns dich nieder.
        Glüh' mit dem Strahl uns an des ew'gen Lichtes,
        Thu' deine Satzung kund durch uns're Lippen.

AMN.    Götter, erbarmt euch meines armen Herzens,
        Von Schuld ist rein er, rettet ihn, o Götter!
        Furchtbar ist die Verzweiflung meines Schmerzens!
       [Radamès schreitet zwischen den Wachen über die Bühne und
          Steigt in das unterirdische Gemach, bei seinem Anblick
          stösst Amneris einen Schrei aus]

RAM. [im unterirdischen Gemach]
        Radamès, Radamès: Du hast dem Fremdling
        Deines Vaterlands Geheimnisse verrathen.

PRI.    Rechfertige dich!

RAM.                    Seht, er schweiget.

ALLE                                      Felonie!

RAM.    Radamès, Radamès: Du hast das Lager
        Am Tage vor der Schlacht verlassen.

PRI.    Rechfertige dich!

RAM.                    Seht, er schweiget.

ALLE                                      Felonie!

RAM.    Radamès, Radamès: dem Vaterlande brachst du,
        Der Ehre und dem König deinen Eid.

PRI.    Rechfertige dich!

RAM.                    Seht, er schweiget.

ALLE                                      Felonie!
        Radamès, dein Loos ist erfüllet;
        Du stirbst den Tod der Verfluchten,
        Unterm Tempel der zürnenden Gottheit
        Lebend ins Grab gehst du ein.

AMN.    Lebend begraben, o ihr Verruchten!
        Euer Blutdurst wird niemals gestillet,
        Wollet diener des Himmels noch ein!
     [auf die Priester losstürzend, welche aus dem unteridischen
        Ihr, o Priester begingt ein Verbrechen    Gewölbe kommen]
        Mit des Tigers wilden Geberden;
        Ihr schändet Götter und Erden,
        Ihr bestrafet, wer schuldlos und rein.

PRI.    Fluch dem Verrath und Tod!

AMN.    Priester, diesen Mann, den du tödtest,       [zu Ramphis]
        Liebt' ich, du weisst es, liebt' ich vor Allen,
        Mit seinem Blute wird auf dich fallen
        Meines gebrochenen Herzens Fluch!

PRI.    Fluch dem Verrath und Tod!                   [langsam ab]

AMN.    Schändliche Rotte, auf euch meinen Fluch!
        Die Rache des Himmels fall' auf euch herab!
        Seid verflucht!                         [verzweifelnd ab]


                            ZWEITE SCENE

                Die Bühne ist in zwei Etagen getheilt.

Die obere stellt das Innere des Vulkanstempels in Gold und Lichtglanz
  dar,  die untere ein kellerartiges Gewölbe.  Lange Bogengänge,  die
  sich im Dunkel verlieren.  Colossalstatuen des Osiris mit nach oben
  gekreutzten Händen stützen die Säulen der Wölbung.

        Radamès im unterirdischen Gewölbe auf den Stufen der
         Treppe,  auf welcher er hinabgesteigen ist, —  über
         ihm zwei Priester, die den Eingang mit einem Steine
         verschliessen.

RAD.    Es hat der Stein sich über mir geschlossen,
        Ich seh' mein Grab vor mir. Das Licht des Tages
        Schau ich nicht mehr — Werd' nimmer schau'n Aida —
        Aida, wo bist du? Wäre Glück beschieden
        Zum mind'sten dir — blieb ewig dir verborgen
        Mein furchtbar Loos — Welch' Seufzerlaut! Eine Larve,
        Eine Vision — nein, nein, ein menschlich Antlitz —
        Himmel! — Aida!

AIDA                   Ich bin es.

RAD.                             Du — in diesem Grabe!

AIDA    Ahnend im Herzen, dass mann dich verdamme,
        Hab' in die Gruft, die sie für dich bereitet,
        Geheim ich mich begeben —
        Und hier, vor jedem Menschenaug' verborgen,
        In deinen Armen sehn' ich mich zu sterben.

RAD.    Zu sterben! so rein und schön,
        Aus lauter Lieb' und Güte!
        In voller Jugendblüthe
        Fliehen das Dasein!
        Es schuf der Himmel dich zum Glück der Liebe,
        Ich bring' den Tod dir, nur weil ich dich liebe.
        Nein nicht den Tod —
        Bist allzulieblich!


AIDA [schwärmerisch]  Sieh' dort den Todesengel
        Sich nah'n in Glanz und Strahlen,
        Trägt uns auf gold'nen Schwingen
        Zu ew'gen Freuden fort.
        Schon öffnet sich des Himmels Thor,
        Dort enden alle Qualen,
        Die Begeisterung, das Glück,
        Wohnen unsterblich dort.

           Gesang und Tanz der Priesterinnen im Tempel.

AIDA    Welch' ein Gesang!

RAD.                     Ein Triumphgesang
        Aus Priestermund.

AIDA                    Für uns das Grabgeläute!

RAD. [indem er versucht, den Stein von seiner Stelle zu wälzen]
        Meine gewaltigen Arme
        Können den Stein vom Orte nimmer bewegen.

AIDA    Umsonst!… Für uns ist alles
        Hier auf Erden vorbei.

RAD. [mit trostloser Ergebung]
                              Ist Alles vorbei!…
                   [er nähert sich Aida und sucht sie zu stützen]

AIDA – RAD.  Leb' wohl, o Erde, o du Thal der Thränen,
        Verwandelt ward der Freudentraum in Leid,
        Der Himmel thut sich auf und unser Sehnen
        Schwingt sich empor zum Licht der Ewigkeit.

                           [Aida sinkt Radamès sanft in die Arme]

AMN. [erscheint im Trauergewand im Tempel und wirft sich auf den
                   Stein, welcher das unterirdische Grab bedeckt]
        Sei dir der Frieden — Im Tode beschieden
        Oeffne dir Isis — Des Himmels Thor.


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1 Jan 2010