Last updated: Feb. 14, 1997
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Winterreise, D. 911

Song Cycle

24 Lieder by Franz Schubert (1797-1828)
(after poems by Wilhelm Mueller)
op. 89, No. 1-24
Date of composition: 1827

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1. Gute Nacht

Fremd bin ich eingezogen, Fremd zieh' ich wieder aus. Der Mai war mir gewogen Mit manchem Blumenstrauss. Das Maedchen sprach von Liebe, Die Mutter gar von Eh', - Nun ist die Welt so truebe, Der Weg gehuellt in Schnee. Ich kann zu meiner Reisen Nicht waehlen mit der Zeit, Muss selbst den Weg mir weisen In dieser Dunkelheit. Es zieht ein Mondenschatten Als mein Gefaehrte mit, Und auf den weissen Matten Such' ich des Wildes Tritt. Was soll ich laenger weilen, Dass man mich trieb hinaus? Lass irre Hunde heulen Vor ihres Herren Haus; Die Liebe liebt das Wandern - Gott hat sie so gemacht - Von einem zu dem andern. Fein Liebchen, gute Nacht! Will dich im Traum nicht stoeren, Waer schad' um deine Ruh', Sollst meinem Tritt nicht hoeren - Sacht, sacht die Tuere zu! Schreib' im Voruebergehen Ans Tor dir: Gute Nacht, Damit du moegest sehen, An dich hab' ich gedacht.

2. Die Wetterfahne

Der Wind spielt mit der Wetterfahne Auf meines schoenen Liebchens Haus. Da dacht ich schon in meinem Wahne, Sie pfiff den armen Fluechtling aus. Er haett' es eher bemerken sollen, Des Hauses aufgestecktes Schild, So haett' er nimmer suchen wollen Im Haus ein treues Frauenbild. Der Wind spielt drinnen mit dem Herzen Wie auf dem Dach, nur nicht so laut. Was fragen sie nach meinen Schmerzen? Ihr Kind ist eine reiche Braut.

3. Gefrorene Traenen

Gefrorne Tropfen fallen Von meinen Wangen ab: Ob es mir denn entgangen, Dass ich geweinet hab'? Ei Traenen, meine Traenen, Und seid ihr gar so lau, Dass ihr erstarrt zu Eise Wie kuehler Morgentau? Und dringt doch aus der Quelle Der Brust so gluehend heiss, Als wolltet ihr zerschmelzen Des ganzen Winters Eis!

4. Erstarrung

Ich such' im Schnee vergebens Nach ihrer Tritte Spur, Wo sie an meinem Arme Durchstrich die gruene Flur. Ich will den Boden kuessen, Durchdringen Eis und Schnee Mit meinem heissen Traenen, Bis ich die Erde seh'. Wo find' ich eine Bluete, Wo find' ich gruenes Gras? Die Blumen sind erstorben Der Rasen sieht so blass. Soll denn kein Angedenken Ich nehmen mit von hier? Wenn meine Schmerzen schweigen, Wer sagt mir dann von ihr? Mein Herz ist wie erstorben, Kalt starrt ihr Bild darin; Schmilzt je das Herz mir wieder, Fliesst auch ihr Bild dahin!

5. Der Lindenbaum

Am Brunnen vor dem Tore Da steht ein Lindenbaum; Ich traeumt in seinem Schatten So manchen suessen Traum. Ich schnitt in seine Rinde So manches liebe Wort; Es zog in Freud' und Leide Zu ihm mich immer fort. Ich musst' auch heute wandern Vorbei in tiefer Nacht, Da hab' ich noch im Dunkel Die Augen zugemacht. Und seine Zweige rauschten, Als riefen sie mir zu: Komm her zu mir, Geselle, Hier find'st du deine Ruh'! Die kalten Winde bliesen Mir grad ins Angesicht; Der Hut flog mir vom Kopfe, Ich wendete mich nicht. Nun bin ich manche Stunde Entfernt von jenem Ort, Und immer hoer' ich's rauschen: Du faendest Ruhe dort!

6. Wasserflut

Manche Traen' aus meinen Augen Ist gefallen in den Schnee; Seine kalten Flocken saugen Durstig ein das heisse Weh. Wenn die Graeser sprossen wollen Weht daher ein lauer Wind, Und das Eis zerspringt in Schollen Und der weiche Schnee zerrinnt. Schnee, du weisst von meinem Sehnen, Sag', wohin doch geht dein Lauf? Folge nach nur meinen Traenen, Nimmt dich bald das Baechlein auf. Wirst mit ihm die Stadt durchziehen, Munt're Strassen ein und aus; Fuehlst du meine Traenen gluehen, Da ist meiner Liebsten Haus.

7. Auf dem Flusse

Der du so lustig rauschtest, Du heller, wilder Fluss, Wie still bist du geworden, Gibst keinen Scheidegruss. Mit harter, starrer Rinde Hast du dich ueberdeckt, Liegst kalt und unbeweglich Im Sande ausgestreckt. In deine Decke grab' ich Mit einem spitzen Stein Den Namen meiner Liebchen Und Stund' und Tag hinein: Den Tag des ersten Grusses, Den Tag, an dem ich ging; Um Nam' und Zahlen windet Sich ein zerbroch'ner Ring. Mein Herz, in diesem Bache Erkennst du nun dein Bild? Ob's unter seiner Rinde Wohl auch so reissend schwillt?

8. Rueckblick

Es brennt mir unter beiden Sohlen, Tret' ich auch schon auf Eis und Schnee, Ich moecht' nicht wieder Atem holen, Bis ich nicht mehr die Tuerme seh'. Hab' mich an jedem Stein gestossen, So eilt' ich zu der Stadt hinaus; Die Kraehen warfen Baell' und Schlossen Aum meinen Hut von jedem Haus. Wie anders hast du mich empfangen, Du Stadt der Unbestaendigkeit! An deinen blanken Fenstern sangen Die Lerch' und Nachtigall im Streit. Die runden Lindenbaeume bluehten, Die klaren Rinnen rauschten hell, Und ach, zwei Maedchenaugen gluehten. - Da war's gescheh'n um dich, Gesell! Kommt mir der Tag in die Gedanken, Moecht' ich noch einmal rueckwaerts seh'n, Moecht' ich zuruecke wieder wanken, Vor ihren Hause stille steh'n.

9. Irrlicht

In die tiefsten Felsengruende Lockte mich ein Irrlicht hin: Wie ich einen Ausgang finde, Liegt nicht schwer mir in dem Sinn. Bin gewohnt das Irregehen, 's fuehrt ja jeder Weg zum Ziel: Uns're Freuden, uns're Leiden, Alles eines Irrlichts Spiel! Durch des Bergstroms trock'ne Rinnen Wind' ich ruhig mich hinab, Jeder Storm wird's Meer gewinnen, Jedes Leiden auch sein Grab.

10. Rast

Nun merk' ich erst, wie mued' ich bin, Da ich zur Ruh' mich lege: Das Wandern hielt mich munter hin Auf unwirtbarem Wege. Die Fuesse frugen nicht nach Rast, Es war zu kalt zum Stehen; Der Ruecken fuehlte keine Last, Der Sturm half fort mich wehen. In eines Koehler engem Haus Hab' Obdach ich gefunden; Doch meine Glieder ruh'n nicht aus: So brennen ihre Wunden. Auch du, mein Herz, in Kampf und Sturm So wild und so verwegen, Fuehlst in der Still' erst deinen Wurm Mit heissem Stich sich regen!

11. Fruehlingstraum

Ich traeumte von bunten Blumen, So wie sie wohl bluehen im Mai; Ich traeumte von gruenen Wiesen, Von lustigem Vogelgeschrei. Und als die Haehne kraehten, Da ward mein Auge wach; Da war es kalt und finster, Es schrien die Raben vom Dach. Doch an den Fensterscheiben, Wer malte die Blaetter da? Ihr lacht wohl ueber den Traeumer, Der Blumen im Winter sah? Ich traeumte von Lieb' und Liebe, Von einer schoenen Maid, Von Herzen und von Kuessen, Von Wonne und Seligkeit. Und als die Haehne kraeten, Da ward mein Herze wach; Nun sitz ich hier alleine Und denke den Traume nach. Die Augen schliess' ich wieder, Noch schlaegt das Herz so warm. Wann gruent ihr Blaetter am Fenster? Wann halt' ich mein Liebchen im Arm?

12. Einsamkeit

Wie eine truebe Wolke Durch heit're Luefte geht, Wenn in der Tanne Wipfel Ein mattes Lueftchen weht: So zieh ich meine Strasse Dahin mit traegem Fuss, Durch helles, frohes Leben, Einsam und ohne Gruss. Ach, dass die Luft so ruhig! Ach, dass die Welt so licht! Als noch die Stuerme tobten, War ich so elend nicht.

13. Die Post

Von der Strasse her ein Posthorn klingt. Was hat es, dass es so hoch aufspringt, Mein Herz? Die Post bringt keinen Brief fuer dich. Was draengst du denn so wunderlich, Mein Herz? Nun ja, die Post kommt aus der Stadt, Wo ich ein liebes Liebchen hatt', Mein Herz! Willst wohl einmal hinueberseh'n Und fragen, wie es dort mag geh'n, Mein Herz?

14. Der greise Kopf

Der Reif hatt' einen weissen Schein Mir uebers Haar gestreuet; Da glaubt' ich schon ein Greis zu sein Und hab' mich sehr gefreuet. Doch bald ist er hinweggetaut, Hab' wieder schwarze Haare, Dass mir's vor meiner Jugend graut - Wie weit noch bis zur Bahre! Vom Abendrot zum Morgenlicht Ward mancher Kopf zum Greise. Wer glaubt's? und meiner ward es nicht Auf dieser ganzen Reise!

15. Die Kraehe

Eine Kraehe war mit mir Aus der Stadt gezogen, Ist bis heute fuer und fuer Um mein Haupt geflogen. Kraehe, wunderliches Tier, Willst mich nicht verlassen? Meinst wohl, bald als Beute hier Meinen Leib zu fassen? Nun, es wird nicht weit mehr geh'n An dem Wanderstabe. Kraehe, lass mich endlich seh'n, Treue bis zum Grabe!

16. Letzte Hoffnung

Hie und da ist an den Baeumen Manches bunte Blatt zu seh'n, Und ich bleibe vor den Baeumen Oftmals in Gedanken steh'n. Schaue nach dem einen Blatte, Haenge meine Hoffnung dran; Spielt der Wind mit meinem Blatte, Zitt'r' ich, was ich zittern kann. Ach, und faellt das Blatt zu Boden, Faellt mit ihm die Hoffnung ab; Fall' ich selber mit zu Boden, Wein' auf meiner Hoffnung Grab.

17. Im Dorfe

Es bellen die Hunde, es rascheln die Ketten; Es schlafen die Menschen in ihren Betten, Traeumen sich manches, was sie nicht haben, Tun sich im Guten und Argen erlaben; Und morgen frueh ist alles zerflossen. Je nun, sie haben ihr Teil genossen Und hoffen, was sie noch uebrig liessen, Doch wieder zu findet auf ihren Kissen. Bellt mich nur fort, ihr wachen Hunde, Lasst mich nicht ruh'n in der Schlummerstunde! Ich bin zu Ende mit allen Traeumen. Was will ich unter den Schlaefern saeumen?

18. Der stuermische Morgen

Wie hat der Sturm zerissen Des Himmels graues Kleid! Die Wolkenfetzen flattern Umher im matten Streit. Und rote Feuerflammen Zieh'n zwischen ihnen hin; Das nenn' ich einen Morgen So recht nach meinem Sinn! Mein Herz sieht an dem Himmel Gemalt sein eig'nes Bild - Es ist nichts als der Winter, Der Winter, kalt und wild!

19. Taeuschung

Ein Licht tanzt freundlich vor mir her, Ich folg' ihm nach die Kreuz und Quer; Ich folg' ihm gern und seh'n ihm an, Dass es verlockt den Wandersmann. Ach! wer wie ich so elend ist, Gibt gern sich hin der bunten list, Die hinter Eis und Nacht und Graus Ihm weist ein helles, warmes Haus. Und eine liebe Seele drin. - Nur Taeuschung ist fuer mich Gewinn!

20. Der Wegweiser

Was vermeid' ich denn die Wege, Wo die ander'n Wand'rer gehn, Suche mir versteckte Stege Durch verschneite Felsenhoeh'n? Habe ja doch nichts begangen, Dass ich Menchen sollte scheu'n, - Welch ei toerichtes Verlangen Treibt mich in die Wuestenei'n? Weiser stehen auf den Wegen, Weisen auf die Staedte zu, Und ich wand're sonder Massen Ohne Ruh' und suche Ruh'. Einen Weiser seh' ich stehen Unverrueckt vor meinem Blick; Eine Strasse muss ich gehen, Die noch keiner ging zurueck.

21. Das Wirtshaus

Auf einen Totenacker hat mich mein Weg gebracht; Allhier will ich einkehren, hab' ich bei mir gedacht. Ihr gruenen Totenkraenze koennt wohl die Zeichen sein, Die muede Wand'rer laden ins kuehle Wirtshaus ein. Sind denn in diesem Hause die Kammern all' besetzt? Bin matt zum Niedersinken, bin toedlich schwer verletzt. O unbarmherz'ge Schenke, doch weisest du mich ab? Nun weiter denn, nur weiter, mein treuer Wanderstab!

22. Mut

Fliegt der Schnee mir ins Gesicht, Schuettl' ich ihn herunter. Wenn mein Herz im Busen spricht, Sing' ich hell und munter. Hoere nicht, was es mir sagt, Habe keine Ohren; Fuehle nicht, was es mir klagt, Klagen ist fuer Toren. Lustig in die Welt hinein Gegen Wind und Wetter! Will kein Gott auf Erden sein, Sind wir selber Goetter!

23. Die Nebensonnen

Drei Sonnen sah ich am Himmel steh'n, Hab' lang und fest sie angeseh'n; Und sie auch standen da so stier, Als wollten sie nicht weg von mir. Ach, meine Sonnen seid ihr nicht! Schaut ander'n doch ins Angesicht! Ja, neulich hatt' ich auch wohl drei; Nun sind hinab die besten zwei. Ging nur die dritt' erst hinterdrein! Im Dunkel wird mir wohler sein.

24. Der Leiermann

Drueben hinterm Dorfe steht ein Leiermann Und mit starren Fingern dreht er, was er kann. Barfuss auf dem Eise wankt er hin und her Und sein kleiner Teller bleibt ihm immer leer. Keiner mag ihn hoeren, keiner sieht ihn an, Und die Hunde knurren um den alten Mann. Und er laesst es gehen alles, wie es will, Dreht und seine Leier steht ihm nimmer still. Wunderlicher Alter, soll ich mit dir geh'n? Willst zu meinen Liedern deine Leier dreh'n?