DER VIERJÄHRIGE POSTEN Ein Singspiel in einem Aufzuge von Theodor Körner Musik von Franz Schubert Der General - Sprechrolle Der Hauptmann - Tenor Walther, ein Dorfrichter - Bariton Käthchen, seine Tochter - Sopran Duval, ihr Ehemann - Tenor Veit, ein Bauer - Tenor Soldaten, Landleute In einem deutschen Grenzdorf, während der napoleonischen Kriege. OUVERTURE I. AUFTRITT Freier Platz im Dorfe. Links Walthers Haus, rechts ein Hügel. Weite Aussieht in die Ferne. Walther, Duval, Käthchen, Bauern und Bäuerinnen (kommen zur Feldarbeit gerüstet aus Walthers Hause). N. 1. Introduktion CHOR der Bauern und Bäuerinnen: Heiter strahlt der neue Morgen, Luft und Himmel webt sich klar, Und der Tag verscheucht die Sorgen, Die die dunkle Nacht gebar. KÄTHCHEN, DUVAL, WALTHER: Draußen stürmt das Kriegsgetümmel Durch die seufzende Natur, Aber friedlich liegt der Himmel Über uns'rer stillen Flur. CHOR: Draußen stürmt, usw. WALTHER: Frisch zur Arbeit! Auf dem Felde Sei die Arbeit zugeteilt. Wohl dem, der die Saat bestellte, Eh' der Krieg ihn übereilt! CHOR: Frisch zur Arbeit, usw. (Walther mit dem Bauern ab) II. AUFTRITT Käthchen, Duval KÄTHCHEN: Ach, lieber Mann, Du bist so geschäftig! Verweile doch nur ein wenig bei mir! Wir sind jetzt gar so selten beisammen, Und das liegt doch nur immer an dir. DUVAL: Du gutes Weib ! Kann ich es ändern ?- Ich wäre freilich lieber bei dir; Doch soll ich dem Vater die Arbeit lassen ? - Im Geiste bin ich ja immer hier. KÄTHCHEN: Nun sind es vier Jahre schon, daß wir uns lieben, Und seit zwei Jahren sind wir vermählt! Aber mir ist es hier im Herzen geblieben, Als hätt' ich dich erst gestern gewählt. DUVAL: Wie hat mich die kurze Zeit verwandelt !- Als ich noch im Regimente war, Da wurde mir's wohl im lust'gen Getümmel, Ich freute mich immer auf Kampf und Gefahr; Denn damals hatt' ich nichts zu verlieren. Doch seit mich zu dir das Schicksal trieb, Da ist mir die wilde Lust vergangen, Da hab' ich auch mich und mein Leben lieb. N. 2. Duett KÄTHCHEN: Du guter Heinrich! DUVAL: Du süßes Kind! KÄTHCHEN, DUVAL: Ach, was wir beide Doch glücklich sind! Nein, es läßt sich nicht erzählen Diese stille Lust der Seelen, Diese heit're Seligkeit! Unter freundlichem Gekose, Der Natur in blüh'ndem Schoße Eilt sie fort, die gold'ne Zeit. Doch für Herzen, die sich lieben, Ist das Leben jung geblieben, Ist der Himmel nicht mehr weit. III. AUFTRITT Vorige. Walther (atemlos) WALTHER: Kinder, erschreckt nicht! Ihr müßt euch fassen. KÄTHCHEN und DUVAL: Vater, was gibt es? Was wird es sein? WALTHER: Kinder! Die Feinde rücken ein. Wir glaubten sie lange noch nicht in der Nähe, Doch wie ich jetzt dort hinüber sehe, Da kommt ein ganzer Soldatenhaufen Grad auf uns zu.- Wie bin ich gelaufen !- Ach, wenn sie dich finden, lieber Sohn, Um dich ist's geschehen, das weiß ich schon; Denn als sie uns vor vier Jahren verließen, Da bliebst du heimlich bei uns als Knecht, Der Tochter wegen !- Das mußt du büßen Sie üben das alte Soldatenrecht. KÄTHCHEN: Ach Gott! DUVAL: Nur ruhig! Besonnen !- Lieb Weibchen ! Vertraue deinem Mann !- Noch nichts ist verloren, doch viel ist gewonnen, Wenn man die Fassung behalten kann. KÄTHCHEN: In meine Arme will ich dich schließen, Und wenn du für ewig verloren wärst; Und wollen dich die Barbaren erschießen, Durch meine Brust muß die Kugel zuerst! DUVAL: O, stille deines Herzens Pochen !- Ich sehe nicht, was ich verbrochen, Da ich nicht von der Fahne lief. Dort oben stand ich als Vedette, Ja, wenn man mich gerufen hätte, Als der Befehl nach Hause rief Doch meine Post ward ganz vergessen. Mir war kein Fehler beizumessen; Den ganzen Tag lang blieb ich stehen. Und als ich mich herunter wagte Und spät nach meinen Brüdern fragte, War von Soldaten nichts zu sehen. Glaubt mir, ich werde nicht erkannt. Und sind es nur nicht meine Brüder Vom zweiten Regimente hier, Bei andern ward ich nie genannt. N. 3. Terzett KÄTHCHEN, WALTHER: Mag dich die Hoffnung nicht betrügen! An diese Glauben halte dich! DUVAL: Mag mich die Hoffnung nicht betrügen! An diese Glauben halt'ich mich! KÄTHCHEN, WALTHER, DUVAL: Das Glück war gar zu schön gestiegen! Der Wechsel wär zu fürchterlich! IV. AUFTRITT Veit. Die Vorigen N. 4 Quartett. VEIT: Freund, eilet euch zu retten! Das zweite Regiment Kommt in das Dorf gezogen, Fort, fort! Ihr seid verloren, Sobald man euch erkennt! KÄTHCHEN, WALTHER: Ach Gott, er ist verloren, Sobald man ihn erkennt! DUVAL: Mein Regiment? Unmöglich! VEIT: Glaubt mir, ich kenn' es gut! KÄTHCHEN, WALTHER Es ist um dich geschehen! DUVAL: Nun gilt es List und Mut. Still, laßt mich überlegen; Rettung kann möglich sein! KÄTHCHEN, WALTHER, VEIT: Der Himmel mag dich schützen, Mag dein Erretter sein! DUVAL: (für sich) Wie soll ich der Gefahr entspringen? Wie wähl' ich mir den kühnen Plan? Wird mir die Rettung wohl gelingen? Was soll ich tun, was fang' ich an? KÄTHCHEN, WALTHER, VEIT: Wie soll er der Gefahr entspringen? Wie wählt er sich den kühnen Plan? Wird ihm die Rettung wohl gelingen? Was soll er tun, was fängt er an? DUVAL: Freunde! Ich hab' es gefunden! Bald kehr' ich euch wieder zurück! Was Gott zur Liebe verbunden, Trennt selten ein widrig Geschick. KÄTHCHEN, WALTHER, VEIT: Was hast du dir listig erkoren, Wodurch du gerettet bist? DUVAL: So kommt, keine Zeit sei verloren! Ich erzähle euch drinnen die List. KÄTHCHEN: Mein Heinrich! DUVAL: Vertraue der Stunde..., KÄTHCHEN: Ich will's! DUVAL: ...und vertraue dem Gluck! KÄTHCHEN, DUVAL, WALTHER, VEIT: Was Gott zur Liebe verbunden, usw. (Alle ab ins Haus, bis auf Käthchen) V. AUFTRITT Käthchen, allein N. 5. Arie KÄTHCHEN: Gott! Gott! Höre meine Stimme, Höre gnädig auf mein Fleh'n! Sieh' ich liege hier im Staube. Gott, usw. Soll die Hoffnung, soll die Glaube An dein Vaterherz vergeh'n? Er soll es büßen mit seinem Blute, Was er gewagt mit frohem Mute? Was er für mich und die Liebe getan? Sind all' die Wünsche nur eitles Träumen, Zerknickt die Hoffnung die zarte Keime, Ist Lieb' und Seligkeit nur ein Wahn? Nein, das kannst du nicht gebieten, Das wird dein Vaterherz verhüten, Gott, du bist meine Zuversicht! Du wirst zwei Herzen so nicht trennen, Die nur vereinigt schlagen können! Nein, Vater, nein, das kannst du nicht! VI. AUFTRITT Käthchen, Duval in Uniform mit Gewehr und Tasche DUVAL: Käthchen, sieh', was ich ersonnen: Jetzt nehm' ich meinen Posten ein, Und glaube mir, ich hab' gewonnen, So nur kann ich gerettet sein. KÄTHCHEN: Verstehe ich dich? DUVAL: Ja, es muß glücken! Ich stelle mich, die Flinte in der Hand, Und den Tornister auf dem Rücken Dorthin, wo ich vor vier Jahren stand. Den Posten hab' ich nicht verlassen Nach ehrlicher Soldatenpflicht! Vergaß man auch mich abzulösen, Ich stand die Wacht und wankte nicht. KÄTHCHEN: Ach, Heinrich ! Kann die List gelingen? Nein, zu verwegen scheint es mir; O, leichter wär' es, zu entspringen. Komm, flüchte dich; ich folge dir! N. 6. Marsch und Soldatenchor (Marsch, in der Ferne beginnend und immer näher kommend) DUVAL: Horch! Sie kommen; ich muß auf den Posten! Fort, Liebste, eh' man dich hier belauscht! KÄTHCHEN: Ach! Darf man nur von dem Glücke kosten, Und ist es verschwunden, wenn man sich berauscht? DUVAL: Leb' wohl und traue auf mich und die Liebe, Und bete für mich! KÄTHCHEN: Wohlan, ich trau' auf dich und die Liebe, Und bete für dich! KÄTHCHEN, DUVAL: (sich umarmend) Schicksal komm! Wir erwarten dich! (Käthchen ins Haus ab, Duval steigt auf den Hügel). VII. AUFTRITT Duval. Der Hauptmann (mit seinen Soldaten) CHOR der Soldaten: Lustig in den Kampf, Lustig aus der Kampf! Frisch durch Sturm und Pulverdampf! Rosse bäumen, Becher schäumen, Frisch durch Sturm und Pulverdampf! Geld und Lieb' und Freude, Junge Weiber, alter Wein, 'S ist all' Soldaten-Beut'! Mädchen, schenkt die Gläser ein, Laßt die Alten grämlich sein! HAUPTMANN: Halt ! Hier ist das Nachtquartier. Ich bin nicht zum ersten mal hier im Ort! Und ich kenne die Bäume dort! Ja, auf einmal wird mir's klar, Wir sind unter alten Bekannten; Es ist jetzt grade das vierte Jahr, Daß wir hier im Dorfe gestanden. Ein jeder wählt das alte Haus; Doch stellt mir erst die Posten aus. Gefreiter, vor! Du weißt das Wort. Besetze mir die Höhen dort. Aber, was seh' ich ? Da steht eine Wacht! Schon Freunde hier? Wer hätt' es gedacht Landsmann! Sprecht, wie kommt Ihr hierher? Ei, bekannt sind mir diese Züge. Ich wollte wetten, daß es Duval wär', Gewiß, daß ich mich nicht betrüge! Duval! Duval! DUVAL: Wer ruft mich? HAUPTMANN: Verräter! Herab mit dir! DUVAL: Ich stehe Wacht Und gehe nicht von meinem Platze, Den ich schon seit vier Jahren bewacht. HAUPTMANN: Tollkühner Bube !-Auf! Nehmt ihn gefangen! DUVAL: Die Wacht ist heilig! Wagt es nicht! HAUPTMANN: So packt ihn! VIII. AUFTRITT Vorige. Walther. Käthchen. Veit (aus dem Haus). Bauern und Bäuerinnen, die die Soldaten zurückhalten, den Hügel zu stürmen. N. 7. Ensemble KÄTHCHEN, WALTHER, BAUERN und VEIT: Um Gotteswillen, er ist verloren! HAUPTMANN: Herab mit dir! DUVAL: Ich bleibe hier! WALTHER: Herr Hauptmann, laß euch bedeuten, Es ist mein armer Sohn; Er hat ja nichts verbrochen! Erbarmen, gebt Pardon! BAUERN und VEIT: Erbarmen, gebt Pardon! HAUPTMANN: Umsonst sind eure Bitten, Im Kriege schont man nicht; Der Bube wird erschossen, Das ist Soldatenpflicht. SOLDATEN: Der Bube, usw. KÄTHCHEN, WALTHER, VEIT: O laßt das Mitleid sprechen, Nehmt unser Hab' und Gut, Laßt's mich im Kerker büßen, Nur schont des Sohnes Blut. HAUPTMANN: Umsonst sind, usw. HAUPTMANN, SOLDATEN: Dich erwarten die Gesetze, Dich erwartet Tod und Qual, Ja, du bist für sie verloren, Nirgends blinkt ein Hoffnungsstrahl. KÄTHCHEN, WALTHER, VEIT: Welch ein Augenblick des Schreckens, Welch ein Augenblick der Qual! Ach, er ist für uns verloren, Nirgends blinkt ein Hoffnungsstrahl. KÄTHCHEN: O laßt das Mitleid, usw. HAUPTMANN: Umsonst sind eure Bitten!, usw. SOLDATEN: Dich drohen die Gesetze, Du bist für sie verloren, Dir drohet Tod und Qual! HAUPTMANN: Umsonst sind eure Bitten!, usw. KÄTHCHEN, WALTHER, VEIT, BAUERN: Welch ein Augenblick, usw. DUVAL: Der General ! ALLE: Der General ! IX. AUFTRITT Vorige. Der General GENERAL: Was gibt es hier? Was ist geschehen? Was muß ich euch in Aufruhr sehen? HAUPTMANN: Mein General! Den Posten befahl ich auszustellen, Ich war der erste hier im Ort, Und finde den Duval, der vor vier Jahren von uns desertiert, an dem Hügel dort. Verwegen verteidigt er sein Leben; Man kennt ihn, keiner wagt sich hin. DUVAL: Ich will mich ja sogleich ergeben, Wenn ich nur erst abgelöst worden bin. So lang' aber bin ich unverletzlich; Den Posten behaupt' ich, den man mir gab. GENERAL: Nun, das ist billig und gesetzlich. Herr Hauptmann, löst die Vedette ab !- Nun bist du Arrestant.- Doch will ich fragen, Was kannst du mir zu deinem Vorteil sagen? DUVAL: Ich gebe mich, wie ich versprochen; Doch seh' ich nicht, was ich verbrochen, Da ich nicht von der Fahne lief- Dort oben stand ich als Vedette; Ja, wenn man mich gerufen hätte, Als der Befehl nach Hause rief !- Doch meine Post ward ganz vergessen, Mir war kein Fehler beizumessen; Den ganzen Tag lang blieb ich steh'n; Und als ich mich herunter wagte, Und spät nach meinen Brüdern fragte, War von Soldaten nichts zu sehn. KÄTHCHEN: Und weil er fleißig war und treu- DUVAL: Nahm mich der Richter dort zum Sohne, Gab hier die Tochter mir zum Lohne. Vier Jahre sind's ! Herr, laßt mich frei. BAUERN: Ach, habt Erbarmen, laßt ihn frei. GENERAL: Ja, wenn das alles Wahrheit wäre- DUVAL: Bei Gott und bei Soldatenehre! GENERAL: Herr Hauptmann? HAUPTMANN: Ich selbst gesteh' es freilich ein, Er mag vergessen worden sein. WALTHER, VEIT, KÄTHCHEN: Herr General ! Ach, habt Erbarmen! Habt Mitleid mit dem armen Sohn! Ach, reißt ihn nicht aus unsern Armen! Gebt ihm Pardon! GENERAL: Es sei !- Pardon! ALLE: Pardon! Pardon! Pardon! N. 8. Finale KÄTHCHEN, DUVAL, VEIT, WALTHER und CHOR: Schöne Stunde, die uns blendet, Glück, wie hast du dich gewendet, Deine Worte lügen nicht! Der nur kennt des Lebens Freude, Der nach wild empörtem Streite Ihre schöne Blüte bricht! (input by Carlo Vitali) (courtesy of: Bongiovanni Musica e Dischi, Bologna, Italy)