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Wagner

Tannhäuser - Act III

Orchestereinleitung ("Tannhäusers Pilgerfahrt")

ERSTE SZENE
Tal vor der Wartburg in herbstlicher Färbung, links der Hörselberg.

(Elisabeth im Gebet. Wolfram kommt von der waldigen Höhe herab. Auf halber Höhe hält er an, als er Elisabeth gewahrt.)

Wolfram.
Wohl wusst' ich hier sie im Gebet zu finden,
wie ich so oft sie treffe, wenn ich einsam
aus wald'ger Höh' mich in das Tal verirre.
Den Tod, den er ihr gab, im Herzen,
dahingestreckt in brünst'gen Schmerzen,
fleht für sein Heil sie Tag und Nacht:
o heil'ger Liebe ew'ge Macht!
Von Rom zurück erwartet sie die Pilger.
Schon fällt das Laub, die Heimkehr steht bevor.
Kehrt er mit den Begnadigten zurück?
Dies ist ihr Fragen, dies ihr Flehen -
ihr Heil'gen, lasst erfüllt es sehen!
Bleibt auch die Wunde ungeheilt,
o, würd' ihr Lindrung nur erteilt!

Aeltere Pilger (aus der Ferne).
Beglückt darf nun dich, o Heimat, ich schauen
und grüssen froh deine lieblichen Auen;
nun lass' ich ruhn den Wanderstab,
weil Gott getreu ich gepilgert hab'.

Elisabeth.
Dies ist ihr Sang -

Wolfram.
Die Pilger sind's -

Elisabeth.
Sie sind's.

Wolfram.
Es ist die fromme Weise,
die der empfangnen Gnade Heil verkündet.

Elisabeth.
Sie kehren heim!
Ihr Heil'gen, zeigt mir jetzt mein Amt,
dass ich mit Würde es erfülle!

Wolfram.
O Himmel, stärke jetzt ihr Herz
für die Entscheidung ihres Lebens!

Aeltere Pilger.
Durch Sühn' und Buss' hab' ich versöhnt
den Herren, dem mein Herze frönt,
der meine Reu' mit Segen krönt,
den Herren, dem mein Lied ertönt.
Der Gnade Heil ist dem Büsser beschieden,
er geht einst ein in der Seligen Frieden!
Vor Höll' und Tod ist ihm nicht bang,
drum preis' ich Gott mein Lebenlang.
Halleluja!
Halleluja in Ewigkeit! In Ewigkeit!
(Elisabeth hat mit grösster Aufregung unter den Pilgern nach Tannhäuser gesucht.)

Elisabeth.
Er kehret nicht zurück!

Pilger.
Beglückt darf nun dich, o Heimat, ich schauen
und grüssen froh deine lieblichen Auen;
nun lass'ich ruhn den wanderstab ...

Elisabeth.
Allmächt'ge Jungfrau, hör mein Flehen!
Zu dir, Gepriesne, rufe ich!
Lass mich in Staub vor dir vergehen,
o,'nimm von dieser Erde mich!
Mach, dass ich rein und engelgleich
eingehe in dein selig Reich!
Wenn je, in tör'gem Wahn befangen,
mein Herz sich abgewandt von dir,
wenn je ein sündiges Verlangen,
ein weltlich Sehnen keimt' in mir,
so rang ich unter tausend Schmerzen,
dass ich es töt' in meinem Herzen!
Doch, konnt'ich jeden Fehl nicht büssen,
so nimm dich gnädig meiner an,
dass ich mit demutsvollem Grüssen
als würd'ge Magd dir nahen kann:
um deiner Gnaden reichste Huld
nur anzuflehn für seine Schuld!
(Als sie sich erhebt, erblickt sie Wolfram.)

Wolfram.
Elisabeth, dürft' ich dich nicht geleiten?
(Elisabeth drückt durch Gebärde aus, sie danke ihm und seiner treuen Liebe aus vollem Herzen, sie aber mache sich jetzt auf den Weg zu ihrem letzten Dienst.)

ZWEITE SZENE

Wolfram (sieht Elisabeth lange nach).
Wie Todesahnung Dämmrung deckt die Lande,
umhüllt das Tal mit schwärzlichem Gewande;
der Seele, die nach jenen Höhn verlangt,
vor ihrem Flug durch Nacht und Grausen bangt.
Da scheinest du, o lieblichster der Sterne,
dein Sanftes Licht entsendest du der Ferne;
die nächt'ge Dämmrung teilt dein lieber Strahl,
und freundlich zeigst du den Weg aus dem Tal.
O du, mein holder Abendstern,
wohl grüsst'ich immer dich so gern:
vom Herzen, das sie nie verriet,
grüsse sie, wenn sie vorbei dir zieht,
wenn sie entschwebt dem Tal der Erden,
ein sel'ger Engel dort zu werden!

DRITTE SZENE

(Es ist Nacht geworden. Tannhäuser tritt auf, sein Antlizt ist bleich und entstellt,- er wankt matten Schrittes an seinem Stabe.)

Tannhäuser.
Ich hörte Harfenschlag -
wie klang er traurig!
Der kam wohl nicht von ihr.

Wolfram.
Wer bist du, Pilger,
der du so einsam wanderst?

Tannhäuser.
Wer ich bin?
Kenn' ich doch dich recht gut;
Wolfram bist du, der wohlgeübte Sänger.

Wolfram.
Heinrich! Du?
Was bringt dich her in diese Nähe? Sprich!
Wagst du es, unentsündigt noch den Fuss
nach dieser Gegend herzulenken?

Tannhäuser.
Sei ausser Sorg', mein guter Sänger!
Nicht such'ich dich noch deiner Sippschaft
einen.
Doch such' ich wen, der mir den Weg wohl zeige,
den Weg, den einst so wunderleicht ich fand -

Wolfram.
Und welchen Weg?

Tannhäuser.
Den Weg zum Venusberg!

Wolfram.
Entsetzlicher! Entweihe nicht mein Ohr!
Treibt es dich dahin?

Tannhäuser.
Kennst du wohl den Weg?

Wolfram.
Wahnsinn'ger ! Grausen fasst mich, hör' ich dich!
Wo warst du? Zogst du denn nicht nach Rom?

Tannhäuser.
Schweig mir von Rom!

Wolfram.
Warst nicht beim heil'gen Feste?

Tannhäuser.
Schweig mir von ihm!

Wolfram.
So warst du nicht?
Sag, ich beschwöre dich!

Tannhäuser.
Wohl war auch ich in Rom -

Wolfram.
So sprich! Erzähle mir, Unglücklicher!
Mich fasst ein tiefes Mitleid für dich an.

Tannhäuser.
Wie sagst du, Wolfram?
Bist du denn nicht mein Feind?

Wolfram.
Nie war ich es,
so lang ich fromm dich wähnte!
Doch sag! Du pilgertest nach Rom?

Tannhäuser.
Nun denn!
Hör an! Du, Wolfram, du sollst es erfahren.
(Er lässt sich erschöpft nieder.)
Zurück von mir! Die Stätte, wo ich raste, ist verflucht.

Tannhäuser.
Hör an, Wolfram, hör an!
Inbrunst im Herzen, wie kein Büsser noch
sie je gefühlt, sucht' ich den Weg nach Rom.
Ein Engel hatte, ach! der Sünde Stolz
dem Uebermütigen entwunden:
für ihn wollt' ich in Demut büssen,
das Heil erflehn, das mir verneint,
um ihm die Träne zu versüssen,
die er mir Sünder einst geweint!
Wie neben mir der schwerstbedrückte Pilger
die Strasse wallt', erschien mir allzu leicht:
betrat sein Fuss den weichen Grund der Wiesen,
der nackten Sohle sucht' ich Dorn und Stein;
liess Labung er am Quell den Mund geniessen,
sog ich der Sonne heisses Glühen ein;
wenn fromm zum Himmel er Gebete schickte,
vergoss mein Blut ich zu des Höchsten Preis;
als im Hospiz der Müde sich erquickte,
die Glieder bettet' ich in Schnee und Eis.
Verschlossnen Augs, ihr Wunder nicht zu schauen,
durchzog ich blind Italiens holde Auen.
Ich tat's, denn in Zerknirschung wollt' ich büssen,
um meines Engels Tränen zu versüssen!
Nach Rom gelangt ich so zur heil'gen Stelle,
lag betend auf des Heiligtumes Schwelle;
der Tag brach an: da läuteten die Glocken,
hernieder tönten himmlische Gesänge;
da jauchzt' es auf in brünstigem Frohlocken,
denn Gnad' und Heil verhiessen sie der Menge
Da sah ich ihn, durch den sich Gott verkündigt,
vor ihm all Volk im Staub sich niederliess;
und Tausenden er Gnade gab, entsündigt
er Tausende sich froh erheben liess.
Da naht' auch ich; das Haupt gebeugt zur Erde,
klagt' ich mich an mit jammernder Gebärde
der bösen Lust, die meine Sinn'empfanden,
des Sehnens, das kein Büssen noch gekühlt;
und um Erlösung aus den heissen Banden
rief ich ihn an, von wildem Schmerz durchwühlt.
Und er, den so ich bat, hub an:
"Hast du so böse Lust geteilt,
dich an der Hölle Glut entflammt,
hast du im Venusberg geweilt:
so bist nun ewig du verdammt!
Wie dieser Stab in meiner Hand
nie mehr sich schmückt mit frischem Grün,
kann aus der Hölle heissem Brand
Erlösung nimmer dir erblühn!"
Da sank ich in Vernichtung dumpf darnieder,
die Sinne schwanden mir. Als ich erwacht',
auf ödem Platze lagerte die Nacht,
von fern her tönten frohe Gnadenlieder.
Da ekelte mich der holde Sang -
von der Verheissung lügnerischem Klang,
der eiseskalt mich in die Seele schnitt,
trieb Grausen mich hinweg mit wildem Schritt.
Dahin zog's mich, wo ich der Wonn'und Lust
so viel genoss, an ihre warme Brust!
Zu dir, Frau Venus, kehr' ich wieder,
in deiner Zauber holde Nacht;
zu deinem Hof steig' ich darnieder,
wo nun dein Reiz mir ewig lacht!

Wolfram.
Halt ein! Halt ein, Unsel'ger!

Tannhäuser.
Ach, lass mich nicht vergebens suchen -
wie leicht fand ich doch einstens dich!
Du hörst, dass mir die Menschen fluchen -
nun süsse Göttin, leite mich!

Wolfram.
Wahnsinniger, wen rufst du an?
(Leichte Nebel ziehen auf.)

Tannhäuser.
Ha! Fühlest du nicht milde Lüfte?

Wolfram.
Zu mir! Es ist um dich getan!

Tannhäuser.
Und atmest du nicht holde Düfte?
Hörst du nicht die jubelnde Klänge?

Wolfram.
In wilden Schauern bebt die Brust!

Tannhäuser.
Das ist der Nymphen tanzende Menge!
Herbei, herbei zu Wonn'und Lust!
(Durch die rosige Dämmerung gewahrt man wirre Bewegungen tanzender Nymphen.)

Wolfram.
Weh, böser Zauber tut sich auf!
Die Hölle naht mit wildem Lauf.

Tannhäuser.
Entzücken dringt durch meine Sinne,
gewahr' ich diesen Dämmerschein;
dies ist das Zauberreich der Minne,
im Venusberg drangen wir ein!
(Venus erscheint.)

Venus.
Willkommen, ungetreuer Mann!
Schlug dich die Welt mit Acht und Bann?
Und findest nirgends du Erbarmen,
suchst Liebe du in meinen Armen?

Tannhäuser.
Frau Venus, o Erbarmungsreiche!
Zu dir, zu dir zieht es mich hin!

Wolfram.
Zauber der Hölle, weiche, weiche!
Berücke nicht des Reinen Sinn!

Venus.
Nahst du dich wieder meiner Schwelle,
sei dir dein Uebermut verziehn;
ewig fliesse dir der Freuden Quelle,
und nimmer sollst du von mir fliehn!

Tannhäuser.
Mein Heil, mein Heil hab'ich verloren,
nun sei der Hölle Lust erkoren!

Wolfram.
Allmächt'ger, steh dem Frommen bei!
Heinrich, ein Wort, es macht dich frei:
dein Heil -

Venus.
O komm!

Tannhäuser (zu Wolfram).
Lass ab von mir!

Venus.
O komm! Auf ewig sei nun mein!

Wolfram.
Noch soll das Heil dir Sünder werden!

Tannhäuser.
Nie, Wolfram, nie! Ich muss dahin!

Wolfram.
Ein Engel bat für dich auf Erden -
bald schwebt er segnend über dir:

Venus.
Zu mir! Zu mir!

Wolfram.
Elisabeth!

Tannhäuser.
Elisabeth!

Sänger und Männerchor.
Der Seele Heil, die nun entflohn
dem Leib der frommen Dulderin!

Wolfram.
Dein Engel fleht für dich an Gottes Thron -
er wird erhört! Heinrich, du bist erlöst!

Venus.
Weh! Mir verloren!
(Sie verschwindet und mit ihr die ganze zauberische Erscheinung. Von der Wartburg her geleitet ein Trauerzug einen Sarg.)

Sänger und Männerchor.
Ihr ward der Engel sel'ger Lohn,
himmlischer Freuden Hochgewinn.

Wolfram.
Und hörst du den Gesang?

Tannhäuser.
Ich höre!
(Den Sarg mit der Leiche Elisabeths tragen Edle, der Landgraf und die Sänger geleiten ihn.)

Sänger und Männerchor.
Heilig die Reine, die nun vereint
göttlicher Schar vor dem Ewigen steht!
Selig der Sünder, dem sie geweint,
dem sie des Himmels Heil erfleht!
(Wolfram geleitet Tannhäuser zum Sarg.)

Tannhäuser.
Heilige Elisabeth, bitte für mich!
(Er stirbt.)

Die Jüngeren Pilger (mit einem ergrüntem Priesterstab).
Heil! Heil! Der Gnade Wunder Heil!
Erlösung ward der Welt zuteil!
Es tat in nächtlich heil'ger Stund'
der Herr sich durch ein Wunder kund.
Den dürren Stab in Priesters Hand
hat er geschmückt mit frischem Grün:
dem Sünder in der Hölle Brand
soll so Erlösung neu erblühn!
Ruft ihm es zu durch alle Land',
der durch dies Wunder Gnade fand!
Hoch über aller Welt ist Gott,
und sein Erbarmen ist kein Spott!
Halleluja! Halleluja!
Halleluja!

Landgraf, Sänger, Ritter und Pilger.
Der Gnade Heil ward dem Büsser beschieden,
nun geht er ein in der Seligen Frieden!


Originally input by Mike Richter, <mrichter@mindspring.com> with thanks to George J. Lindner for proofing.