Wagner
(Elisabeth im Gebet. Wolfram kommt von der waldigen Höhe herab. Auf halber Höhe hält er an, als er Elisabeth gewahrt.)
Wolfram.
Wohl wusst' ich hier sie im Gebet zu finden,
wie ich so oft sie treffe, wenn ich einsam
aus wald'ger Höh' mich in
das Tal verirre.
Den Tod, den er ihr gab, im Herzen,
dahingestreckt in
brünst'gen Schmerzen,
fleht für sein Heil sie Tag und Nacht:
o heil'ger Liebe ew'ge Macht!
Von Rom zurück erwartet sie die Pilger.
Schon fällt das Laub, die Heimkehr steht bevor.
Kehrt er mit den
Begnadigten zurück?
Dies ist ihr Fragen, dies ihr Flehen -
ihr
Heil'gen, lasst erfüllt es sehen!
Bleibt auch die Wunde ungeheilt,
o, würd' ihr Lindrung nur erteilt!
Aeltere Pilger (aus der Ferne).
Beglückt darf nun dich, o Heimat, ich schauen
und grüssen froh
deine lieblichen Auen;
nun lass' ich ruhn den Wanderstab,
weil Gott
getreu ich gepilgert hab'.
Elisabeth.
Dies ist ihr Sang -
Wolfram.
Die Pilger sind's -
Elisabeth.
Sie sind's.
Wolfram.
Es ist die fromme Weise,
die der
empfangnen Gnade Heil verkündet.
Elisabeth.
Sie kehren heim!
Ihr Heil'gen, zeigt
mir jetzt mein Amt,
dass ich mit Würde es erfülle!
Wolfram.
O Himmel, stärke jetzt ihr Herz
für
die Entscheidung ihres Lebens!
Aeltere Pilger.
Durch Sühn' und Buss' hab' ich
versöhnt
den Herren, dem mein Herze frönt,
der meine Reu'
mit Segen krönt,
den Herren, dem mein Lied ertönt.
Der Gnade
Heil ist dem Büsser beschieden,
er geht einst ein in der Seligen
Frieden!
Vor Höll' und Tod ist ihm nicht bang,
drum preis' ich
Gott mein Lebenlang.
Halleluja!
Halleluja in Ewigkeit! In Ewigkeit!
(Elisabeth hat mit grösster Aufregung unter den Pilgern nach Tannhäuser
gesucht.)
Elisabeth.
Er kehret nicht zurück!
Pilger.
Beglückt darf nun dich, o Heimat, ich
schauen
und grüssen froh deine lieblichen Auen;
nun lass'ich ruhn
den wanderstab ...
Elisabeth.
Allmächt'ge Jungfrau, hör mein
Flehen!
Zu dir, Gepriesne, rufe ich!
Lass mich in Staub vor dir
vergehen,
o,'nimm von dieser Erde mich!
Mach, dass ich rein und
engelgleich
eingehe in dein selig Reich!
Wenn je, in tör'gem Wahn
befangen,
mein Herz sich abgewandt von dir,
wenn je ein sündiges
Verlangen,
ein weltlich Sehnen keimt' in mir,
so rang ich unter
tausend Schmerzen,
dass ich es töt' in meinem Herzen!
Doch,
konnt'ich jeden Fehl nicht büssen,
so nimm dich gnädig meiner an,
dass ich mit demutsvollem Grüssen
als würd'ge Magd dir nahen
kann:
um deiner Gnaden reichste Huld
nur anzuflehn für seine
Schuld!
(Als sie sich erhebt, erblickt sie Wolfram.)
Wolfram.
Elisabeth, dürft' ich dich nicht
geleiten?
(Elisabeth drückt durch Gebärde aus, sie danke ihm und seiner
treuen Liebe aus vollem Herzen, sie aber mache sich jetzt auf den Weg zu ihrem
letzten Dienst.)
Wolfram (sieht Elisabeth lange nach).
Wie
Todesahnung Dämmrung deckt die Lande,
umhüllt das Tal mit schwärzlichem
Gewande;
der Seele, die nach jenen Höhn verlangt,
vor ihrem Flug
durch Nacht und Grausen bangt.
Da scheinest du, o lieblichster der Sterne,
dein Sanftes Licht entsendest du der Ferne;
die nächt'ge Dämmrung
teilt dein lieber Strahl,
und freundlich zeigst du den Weg aus dem Tal.
O du, mein holder Abendstern,
wohl grüsst'ich immer dich so gern:
vom Herzen, das sie nie verriet,
grüsse sie, wenn sie vorbei dir
zieht,
wenn sie entschwebt dem Tal der Erden,
ein sel'ger Engel dort
zu werden!
(Es ist Nacht geworden. Tannhäuser tritt auf, sein Antlizt ist bleich und entstellt,- er wankt matten Schrittes an seinem Stabe.)
Tannhäuser.
Ich hörte Harfenschlag -
wie klang er traurig!
Der kam wohl nicht von ihr.
Wolfram.
Wer bist du, Pilger,
der du so einsam
wanderst?
Tannhäuser.
Wer ich bin?
Kenn' ich doch
dich recht gut;
Wolfram bist du, der wohlgeübte Sänger.
Wolfram.
Heinrich! Du?
Was bringt dich her in
diese Nähe? Sprich!
Wagst du es, unentsündigt noch den Fuss
nach dieser Gegend herzulenken?
Tannhäuser.
Sei ausser Sorg', mein guter Sänger!
Nicht such'ich dich noch deiner Sippschaft
einen.
Doch such' ich wen,
der mir den Weg wohl zeige,
den Weg, den einst so wunderleicht ich fand -
Wolfram.
Und welchen Weg?
Tannhäuser.
Den Weg zum Venusberg!
Wolfram.
Entsetzlicher! Entweihe nicht mein Ohr!
Treibt es dich dahin?
Tannhäuser.
Kennst du wohl den Weg?
Wolfram.
Wahnsinn'ger ! Grausen fasst mich, hör'
ich dich!
Wo warst du? Zogst du denn nicht nach Rom?
Tannhäuser.
Schweig mir von Rom!
Wolfram.
Warst nicht beim heil'gen Feste?
Tannhäuser.
Schweig mir von ihm!
Wolfram.
So warst du nicht?
Sag, ich beschwöre
dich!
Tannhäuser.
Wohl war auch ich in Rom -
Wolfram.
So sprich! Erzähle mir, Unglücklicher!
Mich fasst ein tiefes Mitleid für dich an.
Tannhäuser.
Wie sagst du, Wolfram?
Bist du
denn nicht mein Feind?
Wolfram.
Nie war ich es,
so lang ich fromm dich
wähnte!
Doch sag! Du pilgertest nach Rom?
Tannhäuser.
Nun denn!
Hör an! Du,
Wolfram, du sollst es erfahren.
(Er lässt sich erschöpft nieder.)
Zurück von mir!
Die Stätte, wo ich raste, ist verflucht.
Tannhäuser.
Hör an, Wolfram, hör an!
Inbrunst im Herzen, wie kein Büsser noch
sie je gefühlt, sucht'
ich den Weg nach Rom.
Ein Engel hatte, ach! der Sünde Stolz
dem
Uebermütigen entwunden:
für ihn wollt' ich in Demut büssen,
das Heil erflehn, das mir verneint,
um ihm die Träne zu versüssen,
die er mir Sünder einst geweint!
Wie neben mir der schwerstbedrückte
Pilger
die Strasse wallt', erschien mir allzu leicht:
betrat sein Fuss
den weichen Grund der Wiesen,
der nackten Sohle sucht' ich Dorn und Stein;
liess Labung er am Quell den Mund geniessen,
sog ich der Sonne heisses Glühen
ein;
wenn fromm zum Himmel er Gebete schickte,
vergoss mein Blut ich
zu des Höchsten Preis;
als im Hospiz der Müde sich erquickte,
die Glieder bettet' ich in Schnee und Eis.
Verschlossnen Augs, ihr Wunder
nicht zu schauen,
durchzog ich blind Italiens holde Auen.
Ich tat's,
denn in Zerknirschung wollt' ich büssen,
um meines Engels Tränen
zu versüssen!
Nach Rom gelangt ich so zur heil'gen Stelle,
lag
betend auf des Heiligtumes Schwelle;
der Tag brach an: da läuteten die
Glocken,
hernieder tönten himmlische Gesänge;
da jauchzt' es
auf in brünstigem Frohlocken,
denn Gnad' und Heil verhiessen sie der
Menge
Da sah ich ihn, durch den sich Gott verkündigt,
vor ihm all
Volk im Staub sich niederliess;
und Tausenden er Gnade gab, entsündigt
er Tausende sich froh erheben liess.
Da naht' auch ich; das Haupt gebeugt
zur Erde,
klagt' ich mich an mit jammernder Gebärde
der bösen
Lust, die meine Sinn'empfanden,
des Sehnens, das kein Büssen noch gekühlt;
und um Erlösung aus den heissen Banden
rief ich ihn an, von wildem
Schmerz durchwühlt.
Und er, den so ich bat, hub an:
"Hast du
so böse Lust geteilt,
dich an der Hölle Glut entflammt,
hast
du im Venusberg geweilt:
so bist nun ewig du verdammt!
Wie dieser Stab
in meiner Hand
nie mehr sich schmückt mit frischem Grün,
kann aus der Hölle heissem Brand
Erlösung nimmer dir erblühn!"
Da sank ich in Vernichtung dumpf darnieder,
die Sinne schwanden mir. Als
ich erwacht',
auf ödem Platze lagerte die Nacht,
von fern her tönten
frohe Gnadenlieder.
Da ekelte mich der holde Sang -
von der
Verheissung lügnerischem Klang,
der eiseskalt mich in die Seele
schnitt,
trieb Grausen mich hinweg mit wildem Schritt.
Dahin zog's
mich, wo ich der Wonn'und Lust
so viel genoss, an ihre warme Brust!
Zu
dir, Frau Venus, kehr' ich wieder,
in deiner Zauber holde Nacht;
zu
deinem Hof steig' ich darnieder,
wo nun dein Reiz mir ewig lacht!
Wolfram.
Halt ein! Halt ein, Unsel'ger!
Tannhäuser.
Ach, lass mich nicht vergebens
suchen -
wie leicht fand ich doch einstens dich!
Du hörst, dass
mir die Menschen fluchen -
nun süsse Göttin, leite mich!
Wolfram.
Wahnsinniger, wen rufst du an?
(Leichte Nebel ziehen auf.)
Tannhäuser.
Ha! Fühlest du nicht milde Lüfte?
Wolfram.
Zu mir! Es ist um dich getan!
Tannhäuser.
Und atmest du nicht holde Düfte?
Hörst du nicht die jubelnde Klänge?
Wolfram.
In wilden Schauern bebt die Brust!
Tannhäuser.
Das ist der Nymphen tanzende Menge!
Herbei, herbei zu Wonn'und Lust!
(Durch die rosige Dämmerung gewahrt man wirre Bewegungen tanzender
Nymphen.)
Wolfram.
Weh, böser Zauber tut sich auf!
Die Hölle naht mit wildem Lauf.
Tannhäuser.
Entzücken dringt durch meine
Sinne,
gewahr' ich diesen Dämmerschein;
dies ist das Zauberreich
der Minne,
im Venusberg drangen wir ein!
(Venus erscheint.)
Venus.
Willkommen, ungetreuer Mann!
Schlug dich
die Welt mit Acht und Bann?
Und findest nirgends du Erbarmen,
suchst
Liebe du in meinen Armen?
Tannhäuser.
Frau Venus, o Erbarmungsreiche!
Zu dir, zu dir zieht es mich hin!
Wolfram.
Zauber der Hölle, weiche, weiche!
Berücke nicht des Reinen Sinn!
Venus.
Nahst du dich wieder meiner Schwelle,
sei
dir dein Uebermut verziehn;
ewig fliesse dir der Freuden Quelle,
und
nimmer sollst du von mir fliehn!
Tannhäuser.
Mein Heil, mein Heil hab'ich
verloren,
nun sei der Hölle Lust erkoren!
Wolfram.
Allmächt'ger, steh dem Frommen bei!
Heinrich, ein Wort, es macht dich frei:
dein Heil -
Venus.
O komm!
Tannhäuser (zu Wolfram).
Lass ab von
mir!
Venus.
O komm! Auf ewig sei nun mein!
Wolfram.
Noch soll das Heil dir Sünder werden!
Tannhäuser.
Nie, Wolfram, nie! Ich muss dahin!
Wolfram.
Ein Engel bat für dich auf Erden -
bald schwebt er segnend über dir:
Venus.
Zu mir! Zu mir!
Wolfram.
Elisabeth!
Tannhäuser.
Elisabeth!
Sänger und Männerchor.
Der Seele Heil, die nun entflohn
dem Leib der frommen Dulderin!
Wolfram.
Dein Engel fleht für dich an Gottes
Thron -
er wird erhört! Heinrich, du bist erlöst!
Venus.
Weh! Mir verloren!
(Sie verschwindet und mit ihr die ganze zauberische Erscheinung. Von der
Wartburg her geleitet ein Trauerzug einen Sarg.)
Sänger und Männerchor.
Ihr ward der Engel
sel'ger Lohn,
himmlischer Freuden Hochgewinn.
Wolfram.
Und hörst du den Gesang?
Tannhäuser.
Ich höre!
(Den Sarg mit der Leiche Elisabeths tragen Edle, der Landgraf und die Sänger
geleiten ihn.)
Sänger und Männerchor.
Heilig die Reine,
die nun vereint
göttlicher Schar vor dem Ewigen steht!
Selig der
Sünder, dem sie geweint,
dem sie des Himmels Heil erfleht!
(Wolfram geleitet Tannhäuser zum Sarg.)
Tannhäuser.
Heilige Elisabeth, bitte für
mich!
(Er stirbt.)
Die Jüngeren Pilger (mit einem ergrüntem
Priesterstab).
Heil! Heil! Der Gnade Wunder Heil!
Erlösung
ward der Welt zuteil!
Es tat in nächtlich heil'ger Stund'
der
Herr sich durch ein Wunder kund.
Den dürren Stab in Priesters Hand
hat er geschmückt mit frischem Grün:
dem Sünder in der Hölle
Brand
soll so Erlösung neu erblühn!
Ruft ihm es zu durch
alle Land',
der durch dies Wunder Gnade fand!
Hoch über aller
Welt ist Gott,
und sein Erbarmen ist kein Spott!
Halleluja! Halleluja!
Halleluja!
Landgraf, Sänger, Ritter und Pilger.
Der Gnade
Heil ward dem Büsser beschieden,
nun geht er ein in der Seligen
Frieden!
Originally input by Mike Richter, <mrichter@mindspring.com> with thanks to George J. Lindner for proofing.