Last Updated: Oct 8, 1998
Go to Libretto Homepage


Wagner

Tannhäuser - Act I

ERSTE SZENE - Der Venusberg

Weite Grotte im Venusberg. Im Hintergrunde dehnt sich ein See aus, in ihm baden Najaden; am Ufer sind Sirenen gelagert. Venus liegt einem Lager ausgestreckt, vor ihr Tannhäuser, das Haupt in ihrem Schosse. Tanzende Nymphen, an den Seiten der Grotte lagern liebende Paare.

Sirenen.
Naht euch dem Strande!
Naht euch dem Lande,
wo in den Armen
glühender Liebe
selig Erbarmen
still' eure Triebe!
(Venus und Tannhäuser bleiben allein zurück.)

Sirenen (in weiter Ferne).
Naht euch dem Strande!
Naht euch dem Lande!

ZWEITE SZENE

(Tannhäuser fährt empor, als schrecke er aus einem Traum auf. Venus zieht ihn schmeichelnd zurück.)

Venus.
Geliebter, sag, wo weilt dein Sinn?

Tannhäuser.
Zu viel! Zu viel! O, dass ich nun
erwachte!

Venus.
Sag, was kümmert's dich?

Tannhäuser.
Im Traum war mir's als hörte ich -
was meinem Ohr so lange fremd! -
als hörte ich der Glocken frohes Geläute!
O, sag! Wie lange hört' ich's doch nicht mehr?

Venus.
Wohin verlierst du dich?
Was fasst dich an?

Tannhäuser.
Die Zeit, die hier ich verweil',
ich kann sie nicht ermessen.
Tage, Monde - gibt's für mich nicht mehr,
denn nicht mehr sehe ich die Sonne,
nicht mehr des Himmels freundliche Gestirne;
den Halm seh' ich nicht mehr, der frisch ergrünend
den neuen Sommer bringt; die Nachtigall
hör' ich nicht mehr, die mir den Lenz verkünde.
Hör' ich sie nie, seh' ich sie niemals mehr?

Venus.
Ha! Was vernehm ich? Welche tör'ge Klagen!
Bist du so bald der holden Wunder müde,
die meine Liebe dir bereitet? - Oder wie?
Reut es dich so sehr, ein Gott zu sein?
Hast du so bald vergessen, wie du einst gelitten,
während jetzt du dich erfreust?
Mein Sänger, auf! Ergreife deine Harfe!
Die Liebe feire, die so herrlich du besingst,
dass du der Liebe Göttin selber dir gewannst!
Die Liebe feire, da ihr höchster Preis dir ward!

Tannhäuser.
Dir töne Lob! Die Wunder sei'n gepriesen,
die deine Macht mir Glücklichem erschuf!
Die Wonnen süss, die deiner Huld entspriessen,
erheb mein Lied in lautem Jubelruf!
Nach Freude, ach! nach herrlichem Geniessen
verlangt'mein Herz, es dürstete mein Sinn:
da, was nur Göttern einstens du erwiesen,
gab deine Gunst mir Sterblichem dahin.
Doch sterblich, ach! bin ich geblieben,
und übergross ist mir dein Lieben.
Wenn stets ein Gott geniessen kann,
bin ich dem Wechsel untertan;
nicht Lust allein liegt mir am Herzen,
aus Freuden sehn'ich mich nach Schmerzen.
Aus deinem Reiche muss ich fliehn -
O Königin, Göttin! Lass mich ziehn!

Venus.
Was muss ich hören! Welch ein Sang!
Welch trübem Ton verfällt dein Lied?
Wohin floh die Begeistrung dir,
die Wonnesang dir nur gebot?
Was ist's? Worin war meine Liebe lässig?
Geliebter, wessen klagest du mich an?

Tannhäuser.
Dank deiner Huld! Gepriesen sei dein Lieben!
Beglückt für immer, wer bei dir geweilt!
Ewig beneidet, wer mit warmen Trieben
in deinen Armen Götterglut geteilt!
Entzückend sind die Wunder deines Reiches,
die Zauber aller Wonnen atm' ich hier;
kein Land der weiten Erde bietet gleiches,
was sie besitzt, scheint leicht entbehrlich dir.
Doch ich aus diesen ros'gen Düften
verlange nach des Waldes Lüften,
nach unsres Himmels klarem Blau,
nach unserm frischen Grün der Au',
nach unsrer Vöglein liebem Sange,
nach unsrer Glocken trautem Klange.
Aus deinem Reiche muss ich fliehn -
O Königin, Göttin! Lass mich ziehn!

Venus.
Treuloser! Weh! Was lässest du mich hören?
Du wagest meine Liebe zu verhöhnen?
Du preisest sie und willst sie dennoch fliehn?
Zum Ueberdruss ist mir mein Reiz gediehn?

Tannhäuser.
Ach schöne Göttin! Wolle mir nicht zürnen!
Dein übergrosser Reiz ist's, den ich fliehe!

Venus.
Weh dir! Verräter!
Heuchler! Undankbarer!
Ich lass dich nicht!
Du darfst nicht von mir ziehen! Ach!

Tannhäuser.
Nie war mein Lieben grösser, niemals wahrer
als jetzt, da ich für ewig dich muss fliehn!

Venus (nach einer Pause).
Geliebter, komm! Sieh dort die Grotte,
von ros'gen Düften mild durchwallt!
Entzücken böt! selbst einem Gotte
der süss'sten Freuden Aufenthalt.
Besänftigt auf dem weichsten Pfühle
flieh deine Glieder jeder Schmerz,
dein brennend Haupt umwehe Kühle,
wonnige Glut durchschwelle dein Herz.
Aus holder Ferne mahnen süsse Klänge,
dass dich mein Arm in trauter Näh' umschlänge:
von meinen Lippen schlürfst du Göttertrank,
aus meinen Augen strahlt dir Liebesdank:
ein Freudenfest soll unsrem Bund entstehen,
der Liebe Feier lass uns froh begehen!
Nicht sollst du ihr ein scheues Opfer weihn -
nein! - mit der Liebe Göttin schwelge im
Verein!

Sirenen (aus weiter Ferne).
Naht euch dem Strande!
Naht euch dem Lande!

Venus.
Mein Ritter! Mein Geliebter! Willst du fliehen?

Tannhäuser.
Stets soll nur dir, nur dir mein Lied ertönen
Gesungen laut sei jetzt dein Preis von mir!
Dein süsser Reiz ist Quelle alles Schönen,
und jedes holde Wunder stammt von dir.
Die Glut, die du mir in das Herz gegossen,
als Flamme lodre hell sie dir allein!
Ja, gegen alle Welt will unverdrossen
fortan ich nun dein kühner Streiter sein.
Doch hin muss ich zur Welt der Erden,
bei dir kann ich nur Sklave werden;
nach Freiheit doch verlangt es mich,
nach Freiheit, Freiheit dürste ich;
zu Kampf und Streite will ich stehn,
sei's auch auf Tod und Untergehn:
Drum muss aus deinem Reich ich fliehn -
O Königin, Göttin! Lass mich ziehn!

Venus.
Zieh hin, Wahnsinniger, zieh hin!
Verräter, sieh, nicht halt' ich dich!
Ich geb' dich frei - Zieh hin! Zieh hin!
Was du verlangst, das sei dein Los!
Zieh hin! Zieh hin!
Hin zu den kalten Menschen flieh,
vor deren blödem, trübem Wahn
der Freude Götter wir entflohn
tief in der Erde wärmenden Schoss.
Zieh hin, Betörter! Suche dein Heil,
suche dein Heil - und find' es nie!
Bald weicht der Stolz aus deiner Seel',
demütig seh' ich dich mir nah'n,
zerknirscht, zertreten suchst du mich auf,
flehst um die Zauber meiner Macht!

Tannhäuser.
Ach, schöne Göttin, lebe wohl!
Nie kehr' ich je zu dir zurück!

Venus.
Ha! Kehrtest du mir nie zurück!
Kehrst du nicht wieder, ha! so sei verfluchet
von mir das ganze menschliche Geschlecht!
Nach meinen Wundern dann vergebens suchet!
Die Welt sei öde, und ihr Held ein Knecht!
Kehr wieder, kehre mir zurück!

Tannhäuser.
Nie mehr erfreu mich Liebesglück!

Venus.
Kehr wieder, wenn dein Herz dich zieht!

Tannhäuser.
Für ewig dein Geliebter flieht.

Venus.
Wenn alle Welt dich von sich stösst?

Tannhäuser.
Vom Bann werd' ich durch Buss erlöst.

Venus.
Nie wird Vergebung dir zu Teil!
Kehr wieder, schliesst sich dir das Heil!

Tannhäuser.
Mein Heil! Mein Heil ruht in Maria!
(Venus sinkt zusammen und verschwindet.)

DRITTE SZENE

(Tannhäuser steht plötzlich in einem schönen Tale, über ihm blauer Himmel. Im Hintergrunde die Wartburg, in der Ferne der Hörselberg. Von der Höhe Geläute von Herdenglocken.)

Hirt.
Frau Holda kam aus dem Berg hervor,
zu ziehn durch Fluren und Auen;
gar süssen Klang vernahm da mein Ohr,
mein Auge begehrte zu schauen.
Da träumt'ich manchen holden Traum,
und als mein Aug' erschlossen kaum,
da strahlte warm die Sonnen,
der Mai, der Mai war kommen.
Nun spiel'ich lustig die Schalmei,
der Mai ist da, der liebe Mai!

Aeltere Pilger.
Zu dir wall' ich, mein Jesus Christ,
der du des Pilgers Hoffnung bist!
Gelobt sei, Jungfrau süss und rein,
der Wallfahrt wolle günstig sein!
Ach, schwer drückt mich der Sünden Last,
kann länger sie nicht mehr ertragen;
drum will ich auch nicht Ruh'noch Rast
und wähle gern mir Müh'und Plagen.
Am hohen Fest der Gnad'und Huld
in Demut sühn'ich meine Schuld;
gesegnet, wer im Glauben treu:
er wird erlöst durch Buss'und Reu'.

Hirt (den Pilgern zurufend).
Glück auf! Glück auf nach Rom!
Betet für meine arme Seele!

Tannhäuser.
Allmächt'ger, dir sei Preis!
Gross sind die Wunder deiner Gnade!
(Der Zug der Pilger entfernt sich immer weiter, der Hirt ebenfalls.)</I>

Pilger.
Zu dir wall' ich, mein Jesus Christ,
der du des Pilgers Hoffnung bist!
Gelobt sei, Jungfrau süss und rein,
der Wallfahrt wolle günstig sein!

Tannhäuser (in Gebet versunken)
Ach, schwer drückt mich der Sünden Last,
kann länger sie nicht mehr ertragen;
drum will ich auch nicht Ruh' noch Rast
und wähle gern mir Müh'und Plagen.

Pilger.
Am hohen Fest der Gnad' und Huld
in Demut sühn' ich meine Schuld;
gesegnet, wer im Glauben treu ...
(Näherkommende Hornrufe. Der Landgraf und die Sänger in J&auml;gertracht.)

VIERTE SZENE

Landgraf.
Wer ist der dort im brünstigen Gebete

Walter.
Ein Büsser wohl.

Biterolf.
Nach seiner Tracht ein Ritter.

Wolfram (der Tannhäuser erkannt hat).
Er ist es!

Die Sänger.
Heinrich! Heinrich! Seh' ich recht? Er ist es!
(Tannhäuser verneigt sich gegen den Landgrafen.)

Landgraf.
Du bist es wirklich?
Kehrest in den Kreis zurück,
den du in Hochmut stolz verliessest?

Biterolf.
Sag, was uns deine Wiederkehr bedeutet?

Landgraf, Walter, Heinrich, Reinmar.
Sag es an!
Biterolf, Versöhnung? Oder gilt's erneutem Kampf?

Walter.
Nahst du als Freund uns oder Feind?

Die Sänger.
Als Feind?

Wolfram.
O fraget nicht! Ist dies des Hochmuts Miene?
Gegrüsst sei uns, du kühner Sänger,
der, ach! so lang in unsrer Mitte fehlt!

Walter.
Willkommen, wenn du friedsam nahst!

Biterolf.
Gegrüsst, wann du uns Freunde nennst

Walter, Heinrich, Biterolf, Reimnar.
Gegrüsst! Gegrüsst sei uns!

Landgraf.
So sei willkommen denn auch mir!
Sag an, wo weiltest du so lang?

Tannhäuser.
Ich wanderte in weiter, weiter Fern'
da, wo ich nimmer Rast noch Ruhe fand.
Fragt nicht! Zum Kampf mit euch kam ich nicht her.
Seid mir versöhnt und lasst mich weiter ziehn

Landgraf.
Nicht doch! Der unsre bist du neu geworden.

Walter.
Du darfst nicht ziehn.

Biterolf.
Wir lassen dich nicht fort.

Walter, Heinrich, Wolfram, Reinmar, Landgraf
Bleib bei uns!

Tannhäuser.
Lasst mich! Mir frommet kein Verweilen,
und nimmer kann ich rastend stehn.
Mein Weg heisst mich nur vorwärts eilen,
und nimmer darf ich rückwärts sehn.

Landgraf und die Sänger.
O bleib, bei uns sollst du verweilen,
wir lassen dich nicht von uns gehn.
Du suchtest uns, warum enteilen
nach solchem kurzen Wiedersehn?

Tannhäuser.
Fort! Fort von hier!

Landgraf, Walter, Heinrich, Biterolf, Reinmar.
Bleib! Bleib bei uns!

Wolfram.
Bleib bei Elisabeth!

Tannhäuser.
Elisabeth! O Macht des Himmels,
rufst du den süssen Namen mir?

Wolfram.
Nicht sollst du Feind mich schelten,
dass ich ihn genannt! (zu dem Landgrafen)
Erlaubest du mir, Herr, dass ich
Verkünder seines Glücks ihm sei?

Landgraf.
Nenn ihm den Zauber, den er ausgeübt,
und Gott verleih ihm Tugend,
dass würdig er ihn löse!

Wolfram.
Als du in kühnem Sange uns bestrittest,
bald siegreich gegen unsre Lieder sangst,
durch unsre Kunst Besiegung bald erlittest:
ein Preis doch war's, den du allein errangst.
War's Zauber, war es reine Macht
durch die solch Wunder du vollbracht,
an deinen Sang voll Wonn'und Leid
gebannt die tugendreichste Maid?
Denn, ach! als du uns stolz verlassen,
verschloss ihr Herz sich unsrem Lied;
wir sahen ihre Wang' erblassen,
für immer unsren Kreis sie mied.
O kehr zurück, du kühner Sänger,
dem unsren sei dein Lied nicht fern.
Den Festen fehle sie nicht länger,
aufs neue leuchte uns ihr Stern!

Die Sänger.
Sei unser, Heinrich! Kehr uns wieder!
Zwietracht und Streit sei abgetan!
Vereint ertönen unsre Lieder,
und Brüder nenne uns fortan!

Landgraf.
O kehr zurück, du kühner Sänger,
Zwietracht und Streit sei abgetan!

Tannhäuser.
Zu ihr! Zu ihr! O, führet mich zu ihr!
Ha, jetzt erkenne ich sie wieder,
die schöne Welt, der ich entrückt!
Der Himmel blickt auf mich hernieder,
die Fluren prangen reich geschmückt.
Der Lenz mit tausend holden Klängen
zog jubelnd in die Seele mir;
in süssem, ungestümen Drängen
ruft laut mein Herz: zu ihr, zu ihr!
Führt mich zu ihr!

Landgraf und die Sänger.
Er kehrt zurück, den wir verloren!
Ein Wunder hat ihn hergebracht.
Die ihm den Uebermut beschworen,
gepriesen sei die holde Macht!
Nun lausche unsren Hochgesängen
von Neuem der Gepriesnen Ohr'.
Es tön in frohbelebten Klängen
das Lied aus jeder Brust hervorl
(Der Landgraf und die Sänger stossen in die Hörner, der Jagdtross antwortet.)


Originally input by Mike Richter, <mrichter@mindspring.com> with thanks to George J. Lindner for proofing.