Last updated: Feb. 13, 1997
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Der Fliegende Holländer

Libretto: Erster Aufzug


Steiles Felsenufer. Das Meer nimmt den größten Teil der Bühne ein; weite Aussicht auf dasselbe. Finsteres Wetter; heftiger Sturm. Das Schiff Dalands hat soeben dicht beim Ufer Anker geworfen: die Matrosen sind mit geräuschvoller Arbeit beschäftigt, die Segel aufzuhissen, Taue auszuwerfen usw. Daland ist an Land gegangen; er ersteigt einen Felsen und sieht landeinwärts, die Gegend ist zu erkennen.

MASTEROSEN:
Hojohe! Hallojo! Hojohe! Ho! . . . usw.

DALAND: [ vom Felsen herabkommend ]
Kein Zweifel! Sieben Meilen fort
trieb uns der Sturm vom sichren Port.
So nah dem Ziel nach langer Fahrt
war mir der Streich noch aufgespart!

STEUERMANN:
Ho! Kapitän!

DALAND:
Am Bord bei euch, wie steht's?

STEUERMANN:
Gut, Kapitän! Wir haben sichren Grund!

DALAND:
Sandwike ist's! Genau kenn' ich die Bucht.
Verwünscht! Schon sah am Ufer ich mein Haus!
Senta, mein Kind, glaub' ich schon zu umarmen:
da bläst es aus dem Teufelsloch heraus!
Wer baut auf Wind, baut auf Satans Erbarmen!


[ an Bord gehend ]
Was hilft's? Geduld! Der Sturn läßt nach;
wenn er so tobte, währt's nicht lang.
He, Bursche! Lange war't ihr wach:
zur Ruhe denn! Mir ist nicht bang!

[ Die Matrosen steigen in den Schiffsraum hinunter. ]
Nun, Steuermann, die Wache nimmst du wohl für mich?
Gefahr ist nicht, doch gut ist's, wenn du wachst.

STEUREMANN:
Seid ausser Sorg'! Schlaft ruhig, Kapitaen!
[ Daland geht in die Kajüte. Der Steuermann allein auf dem Verdeck. ]


Mit Gewitter und Sturm aus fernem Meer
mein Mädel, bin dir nah!
Über turmhohe Flut vom Süden her -
Mein Mädel, ich bin da!
Mein Mädel, wenn nich Südwind wär',
ich nimmer wohl käm' zu dir!
Ach, lieber S&uuuml;dwind, blas' noch mehr!
Mein Mädel verlangt nach mir!
Hohojo! Hallohoho Jollohohoho! . . . usw.
[ Eine Woge schwillt an und rüttelt heftig das Schiff. ]
Von des Südens Gestad', aus weitem Land -
ich hab' an dich gedacht!
Durch Gewitter und Meer vom Mohrenstrand
hab' dir was mitgebracht.
Mein Mädel, preis' den Südwinr .d hoch,
ich bring' dir ein gülden Band;
Ach, lieber Südwind, blase doch!
Mein Mädel hätt' gern den Tand.
Ho-ho! Je holla ho! . . . usw.

[ Er kämpft mit der Müdigkeit und schläft endlich ein. Das Schiff des "Fliegenden Holländers" naht sich schnell der Küste nach der dem Schiffe des Norwegers entgegengesetzten Seite; mit einem furchtbaren Krach sinkt der Anker in den Grund. Der Steuermann zuckt aus dem Schlafe auf und brummt den Anfang seines Liedes erneut. ]

Mein Mädel, wenn nicht Südwind wär' . . .

[ Er schläft von neuem ein. Der Holländer kommt an das Land. ]

HOLLÄNDER:
Die Frist ist um,
und abermals verstrichen sind sieben Jahr'.
Voll Überdruß wirft mich das Meer ans Land . . .
Ha, Stolzer Ozean!
In kurzer Frist sollst du mich wieder tragen!

Dein Trotz ist beugsam,
doch ewig meine Qual!
Das Heil, das auf dem Land ich suche,
nie werd' ich es finden!
Euch, des Weltmeers Fluten; bleib' ich getreu,
bis eure letzte Welle sich bricht,
und euer letztes Naß versiegt!
Wie oft in Meeres tiefsten Schund
stürzt' ich voll Sehnsucht mich hinab:
doch ach! den Tod, ich fand ihn nicht!
Da, wo der Schiffe furchtbar' Grab,
trieb mein Schiff ich zum Klippengrund;
Doch ach! mein Grab, es schloß sich nicht.
Verhöhnend droht' ich dem Piraten,
in wildem Kampfe erhofft ich Tod.


"Hier," rief ich, "zeige deine Taten,
Von Schätzen voll sind Schiff und Boot!"
Doch ach! des Meer's barbar'scher Sohn
schlägt bang das Kreuz und flïgt davon.
Wie oft in Meeres tiefsten Schlund
stürzt' ich voll Sehnsucht mich hinab.
Da, wo der Schiffe fürchtbar Grab
trieb mein Schiff ich im Klippengrund:
Nirgends ein Grab! Niemals der Tod!
Dies der Verdammis Schreckgebot.
Dich frage ich, gepreisner Engel Gottes,
der meines Heils Bedingung mir gewann;
war ich Unsel'ger Spielwerk deines Spottes,
als die Erlösung du mir zeigtest an?
Vergeb'ne Hoffnung! Furchtbar eitler Wahn!
Un ew'ge Treu' auf Erden - ist's getan!
Nur eine Hoffnung soll mir bleiben,
nur eine unerschuettert steh'n:
so lang' der Erde Keim' auch treiben,
so muß sie doch zugrunde gehn!
Tag des Gerichtes! Jüngster Tag!
Wann brichst du an in meine Nacht?
Wann dröhnt er, der Vernichtungschlag,
mit dem die Welt zusammenkracht?
Wann alle Toten auferstehn.
Dann werde ich in Nichts vergehn.
Ihr Welten, endet euren Lauf!
Ew'ge Vernichtung, nimm mich auf!

MANNSCHAFT des HOLLÄNDERS: [ aus dem schiffsraum ]
Ew'ge Vernichtung, nimm uns auf!

[ Daland erscheint auf dem Verdeck seines Schiffes und erblickt das Schiff des Holländers. ]

DALAND:
He! Holla! Steuermann!

STEUERMANN: [ schalftrunken ]
's ist nichts! 's ist nichts!
Ach, lieber Südwind, blas' noch mehr,
mein Mädel . . .

DALAND:
Du siehst nichts?
Gelt, du wachest brav, mein Bursch!
Dort liegt ein Schiff . . .
wie lange schliefst du schon?

STEUERMANN:
Zum Teufel auch!
Verzeiht mir, Kapitän!
[ Er setzt hastig das Sprachrohr an und ruft der Mannschaft des Holländers zu ]
Wer da? Wer da?

DALAND:
Es scheint, sie sind gerad' so faul als wir.

STEUERMANN:
Gebt Anwort! Schiff und Flagge?

DALAND:
Laß ab! Mich dünkt, ich seh' den Kapitän!
He! Holla! Seemann!
Nenne dich! Wess' Landes?

HOLLÄNDER:
Weit komm' ich her; verwehrt bei Sturm und Wetter
ihr mir den Ankerplatz?

DALAND:
Behüt' es Gott!
Gastfreundschaft kennt der Seemann -
Wer bist du?

HOLLÄNDER:
Holländer.

DALAND:
Gott zum Gruß!
So trieb auch doch der Sturm
an diesen nackten Felsenstrand?
Mi ging's nicht besser: wenig Meilen nur
von hier ist meine Heimat; fast erreicht,
mußt' ich aufs neu mich von ihr wenden.
Sag', woher kommst du?
Hast Schaden du genommen?

HOLLÄNDER:
Mein Schiff ist fest,
es leidet keinen Schaden.

Durch Sturm und bösen Wind verschlagen,
irr' auf den Wassern ich umher -
wie lange, weiß ich kaum zu sagen;
Schon zähl' ich nicht die Jahre mehr.
Unmöglich dünkt mich', daß ich nenne
die Länder alle, die ich fand:
das eine nur, nach dem ich brenne,
ich find' es nicht, mein Heimatland!
Vergönne mir auf kurze Frist dein Haus,
und deine Freundschaft soll dich nicht gereu'n.
Mit Schätzen aller Gegenden und Zonen
ist reich mein Schiff beladen, willst du handeln,
so sollst du sicher deines Vorteils sein.

DALAND:
Wie wunderbar! Soll deinem Wort ich glauben?
Ein Unstern, scheint's, hat dich bis jetzt verfolgt.
Um dir zu frommen, biet' ich, was ich kann:
doch darf ich fragen, was dein Schiff enthält?

HOLLÄNDER:
Die seltensten der Schätze sollst du sehn,
kostbare Perlen, edelstes Gestein.
[ Er gibt seiner Mannschaft ein Zeichen, zwei von derselben bringen eine Kiste an Land. ]
Blick hin, und überzeuge dich vom Werte
des Preises, den ich für ein gastlich' Dach dir biete.

DALAND:
Wie? Ist's möglich? Diese Schätze!
Wer ist so reich, den Preis dafür zu bieten?

HOLLÄNDER:
Den Pries? Soeben hab' ich ihn genannt;
dies für das Obdach einer einz'gen Nacht!
Doch, was du siehst, ist nur der kleinste Teil
von dem, was meines Schiffes Raum verschließt.
Was frommt der Schatz? Ich habe weder Weib
noch Kind, und meine Heimat find' ich nie!
All' meinen Reichtum biet' ich dir, wenn bei
den Deinen du mir neue Heimat gibst.

DALAND:
Was muß ich hören!

HOLLÄNDER:
Hast du eine Tochter?

DALAND:
Fürwahr, ein treues Kind.

HOLLÄNDER:
Sie sei mein Weib!

DALAND:
Wie? Hör ich recht? Mein Tochter sein Weib?
Er selbst spricht aus den Gedanken . . .
Fast fürcht' ich, wenn unentschlossen ich bleib',
er mueßt im Vorsatze wanken.
Wueßt ich, ob ich wach' oder träume?
Kann ein Eidam willkommener sein?
Ein Tor, wenn das Glück ich versäume!
Voll Entzücken schlage ich ein.

HOLLÄNDER:
Ach, ohne Weib, ohne Kind bin ich,
nichts fesselt mich an die Erde.
Rastlos verfolgt das Schicksal mich.
die Qual nur war mir Gefährte.
Nie werd' ich die Heimat erreichen:
zu was frommt mir der Güter Gewinn?
Läßt du zu dem Bund dich erweichen,
oh! so nimm meine Schätze dahin!

DALAND:
Wohl, Fremding, hab' ich eine schöne Tochter,
mit treuer Kindeslieb' ergeben mir;
sie ist mein Stolz, das höchste meiner Güter,
mein Trost im Unglück, meine Freund' im Glück.

HOLLÄNDER:
Dem Vater stets bewahr' sie ihre Liebe!
ihm treu, wird sie auch treu dem Gatten sein.

DALAND:
Du gibst Juwelen, unschätzbare Perlen,
das höchste Kleinod doch, ein treues Weib . . .

HOLLÄNDER:
Du gibst es mir?

DALAND:
Ich gebe dir mein Wort.
Mich rührt dein Los; freigebig, wie du bist,
zeigst Edelmut und hohen Sinn du mir:
den Eidam wünscht ich so; und wäer' dein Gut
auch nicht so reich, wählt ich doch keinen andren.

HOLLÄNDER:
Hab' Dank! Werd' ich die Tochter heut' noch sehn?

DALAND:
Der nächste günst'ge Wind bringt uns nach Haus;
du sollst sie seh'n, und wenn sie dir gefällt . . .

HOLLÄNDER:
So ist sie mein . . .
[ beiseite ]
Wird sie mein Engel sein?
Wenn aus der Qualen Schreckgewalten
die Sehnsucht nach dem Heil mich treibt,
ist mir's erlaubt, mich festzuhalten
an einer Hoffnung, die mir bleibt?
Darf ich in jenem Wahn noch schmachten
daß sich ein Engel mir erweicht?
Der Qualen, die mein Haupt umnachten,
ersehntes Ziel hätt' ich erreicht?
Ach! ohne Hoffnung, wie ich bin,
geb' ich mich doch der Hoffnung hin!

DALAND:
Gepreisen seid, gepreisen seid des Sturmes Gewalten,
die ihr an diesen Strand mich triebt!
Fuerwahr, bloss hab' ich festzuhalten
was sich so schoen von selbst mir gibt.
Die ihn an diese Kueste brachten, ihr Winde,
sellt gesegnet sein!
Ha, womach alle Vaeter trachten,
ein reicher Eidam, er ist mein!
Ja, dem Mann mit Gut und hohem Sinn
geb' froh ich Haus und Tochter hin!

STEUERMANN:
Südwind! Südwind!

MASTEROSEN:
Hallo ho!

STEUERMANN:
Ach, lieber Südwind, blas' noch mehr!

MATROSEN
Halloho! . . . usw.

DALAND:
Du siehst, das Glück ist günstig dir.
Der Wind ist gut, die See in Ruh'.
Sogleich die Anker lichten wir
und segeln schnell der Heimat zu.

STEUERMANN und MATROSEN
Hoho! . . . usw.

HOLLÄNDER:
Darf ich dich bitten, so segelst du voran.
Der Wind ist frisch, doch meine Mannschaft müd'.
Ich gönn 'ihr kurze Ruh' und folge dann.

DALAND:
Doch, unser Wind?

HOLLÄNDER:
Er bläst noch lang' aus Süd!
Mein Schiff ist schnell, es holt dich sicher ein.

DALAND:
Du glaubst? Wohlan, es möge denn so sein!
Leb' wohl! Mögst heute du mein Kind noch sehn.

HOLLÄNDER:
Gewiß!

DALAND: [ an Bord seines Schiffes gehend ]
Heil! Wie die Segel schon sich bläh'n!
Hallo! Hallo!
Frisch, Jungen, greifet an!

MATROSEN
Mit Gewitter und Sturm aus fernem Meer -
mein Mädel, bin dir nah'! Hurrah!
Hurrah! Über turmhohe Flut vom Süden her,
mein Mädel, ich bin da! Hurrah!
Mein Mädel, wenn nicht Südwind wär,
ich nimmer wohl käm' zu dir;
Ach lieber Südwind, blas' noch mehr.
Mein Mädel verlangt nach mir.
Hoho! Johoho . . . usw.

Ende des 1sten Augzugs.


Compiled by: Andrea Kirkby and Stephen L. Parker
16 May 1996