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Szene I

Erster Jäger
Ein herrliches Jagdwetter!

Zweiter Jäger
Nimmermehr hätt' ich das geglaubt; bis gegen Morgen war ein Mordlärm!

Erster Jäger
Besonders in der Wolfsschlucht soll der böse Feind gehaust haben.

Zweiter Jäger
Das ist ein für allemal seiner Großmutter Lustwäldchen.

Erster Jäger
Dort gibt's Windbrüche! Mannsdicke Stämme sind zersplittert wie Rohrstäbe, Riesentannen strecken die Wurzeln gegen Himmel.

Zweiter Jäger
Ja, man weiß schon, wer dort sein Wesen treibt.

Erster Jäger
Guten Tag!

Zweiter Jäger
Glück zu, Herr Exspektant!

Max
Gute Jagd!

Zweiter Jäger
Das ist ein Mordskerl! Er hat drei Schüsse getan, unsereiner kann nicht so weit sehen, geschweige denn treffen! Die Durchlaucht ist ganz versessen auf ihn.

Erster Jäger
Meinethalben! Komm!

Max
Gut, daß wir allein sind! Hast du noch von den Glückskugeln? Gib!

Kaspar
Bedenk, drei nehm ich, vier für dich! Kann ein Bruder redlicher teilen?

Max
Aber ich habe nur noch eine! Der Fürst hatte mich ins Auge gefaßt. Drei Schüsse hab ich getan zum Erstaunen. Was hast du denn mit den Kugeln angefangen?

Kaspar
Da sieh, nach den Elstern hab ich zwei verschossen.

Max
Bist du toll?

Kaspar
Es macht mir Spaß, so einen Galgenvogel herunterzulangen! Was kümmert mich die ganze fürstliche Jagd?

Max
So hast du noch eine; gib mir sie!

Kaspar
Daß ich ein Narr wär'! Ich noch eine, du noch eine! Die heb dir fein auf zu dem Probeschuß.

Max
Gib mir deine dritte!

Kaspar
Nein, und wenn du mir zu Füßen fielst!

Max
Schuft!

Kaspar
Immerhin... Jetzt geschwind die sechste Kugel verbraucht. Die siebente, die Teufelskugel, hebt er mir schon zum Probeschuß auf!
Hahaha! Das Exempel ist richtig. Wohl bekomm's der schönen Braut! Dort läuft ein Füchslein; dem die sechste in den Pelz!

Szene II

Agathe (Kavatine)
Und ob die Wolke sie verhülle,
Die Sonne bleibt am Himmelszelt;
Es waltet dort ein heil'ger Wille,
Nicht blindem Zufall dient die Welt!
Das Auge, ewig rein und klar,
Nimmt aller Wesen liebend wahr!
Für mich auch wird der Vater sorgen,
Dem kindlich Herz und Sinn vertraut,
Und wär' dies auch mein letzter Morgen,
Rief' mich sein Vaterwort als Braut:
Sein Auge, ewig rein und klar,
Nimmt meiner auch mit Liebe wahr!

Szene III

Ännchen
Du bist ja so wehmütig; ich glaube gar, du hast geweint? Brauttränen und Frühregen, sagt das Sprichwort, währen nicht lange. Nun, das weiß der Himmel, Regen genug hat's gegeben! Oft dacht' ich' der Sturm würde das alte Jagdschlößchen ganz über den Haufen blasen.

Agathe
Und Max war in diesem schrecklichen Wetter im Walde! Zudem habe ich so quälende Träume gehabt. Hast du nie gehört, daß Träume in Erfüllung gingen?

Ännchen
Fällt mir denn nichts ein, sie zu zerstreuen? Freilich, alles kann man nicht verwerfen! Ich selbst weiß da ein grausenerregendes Beispiel!
(Romanze)
Einst träumte meiner sel'gen Base,
Die Kammertür eröffne sich,
Und kreideweiß ward ihre Nase,
Denn näher, furchtbar näher schlich
Ein Ungeheuer
Mit Augen wie Feuer,
Mit klirrender Kette...
Es nahte dem Bette,
In welchem sie schlief,
Ich meine die Base
Mit kreidiger Nase,
Und stöhnte, ach! so hohl!
Und ächzte, ach! so tief!
Sie kreuzte sich, rief
Nach manchem Angst- und Stoßgebet:
Susanne, Margaret! Susanne! Margaret!
Und sie kamen mit Licht,
Und, denke nur, und Erschrick mir nur nicht!
Und, graust mir doch! Und,
Der Geist war: Nero, der Kettenhund!
(Rezitativ)
Du zürnest mir?
Doch kannst du wähnen,
Ich fühlte nicht mit dir?
Nur ziemen einer Braut nicht Tränen!
(Arie)
Trübe Augen, Liebchen, taugen
Einem holden Bräutchen nicht.
Daß durch Blicke Sie erquicke
Und beglücke
Und bestricke,
Alles um sich her entzücke,
Das ist ihre schönste, schönste Pflicht.
Laß in öden Mauern
Büßerinnen trauern,
Dir winkt ros'ger Hoffnung Licht!
Schon entzündet sind die Kerzen
Zum Verein getreuer Herzen!
Holde Freundin, zage nicht!

Nun muß ich aber auch geschwind den Kranz holen. Horch, da kommen die Brautjungfern schon.

Szene IV

(Volkslied)

Erste Jungfer
Wir winden dir den Jungfernkranz
Mit veilchenblauer Seide;
Wir führen dich zu Spiel und Tanz,
Zu Glück und Liebesfreude!

Alle
Schöner grüner, schöner grüner Jungfernkranz!
Veilchenblaue Seide!
Veilchenblaue Seide!

Zweite Jungfer
Lavendel, Myrt, und Thymian,
Das wächst in meinem Garten;
Wie lang bleibt doch der Freiersmann?
Ich kann es kaum erwarten.

Alle
Schöner grüner, schöner grüner Jungfernkranz!
Veilchenblaue Seide!
Veilchenblaue Seide!

Dritte Jungfer
Sie hat gesponnen sieben Jahr,
Den goldnen Flachs am Rocken;
Die Schleier sind wie Spinnweb klar
Und grün der Kranz der Locken.

Alle
Schöner grüner, schöner grüner Jungfernkranz!
Veilchenblaue Seide!
Veilchenblaue Seide!

Vierte Jungfer
Und als der schmucke Freier kam,
War'n sieben Jahr' verronnen;
Und weil sie der Herzliebste nahm,
Hat sie den Kranz gewonnen.

Alle
Schöner grüner, schöner grüner Jungfernkranz!
Veilchenblaue Seide!
Veilchenblaue Seide!

Szene V

Ännchen
Nun, da bin ich wieder! Aber fast wär' ich auf die Nase gefallen. Kannst du dir's denken, Agathe? Der alte Herr Kuno hat schon wieder gespukt.

Agathe
Fast könnte es mich ängstigen!

Ännchen
Du zitterst auch vor einer Spinne! Nun frisch' noch einmal das Ende des Liedchens!

Chor
Schöner grüner, schöner grüner Jungfernkranz!
Veilchenblaue Seide...

Ännchen
Eine Totenkrone! Das ist nicht zum Aushalten! Da hat die alte halbblinde Frau die Schachteln vertauscht! Aber was fangen wir nun an? Weg damit! Einen Kranz müssen wir haben!

Agathe
Vielleicht ist dies ein Wink von oben; der fromme Eremit gab mir die weißen Rosen so ernst und bedeutend; windet daraus die Brautkrone.

Ännchen
Ein herrlicher Einfall! Singt! Singt doch!

Die Jungfern und Ännchen
Schöner grüner, schöner grüner Jungfernkranz!
Veilchenblaue Seide!
Veilchenblaue Seide!

Szene VI

Jägernchor
Was gleicht wohl auf Erden dem Jägervergnügen?
Wem sprudelt der Becher des Lebens so reich?
Beim Klange der Hörner im Grünen zu liegen,
Den Hirsch zu verfolgen durch Dickicht und Teich,
Ist fürstliche Freude, ist männlich Verlangen,
Erstarket die Glieder und würzet das Mahl.
Wenn Wälder und Felsen uns hallend umfangen,
Tönt freier und freud'ger der volle Pokal!
Jo, ho! Tralalalala!

Diana ist kundig, die Nacht zu erhellen,
Wie labend am Tage ihr Dunkel uns kühlt.
Den blutigen Wolf und den Eber zu fällen,
Der gierig die grünenden Saaten durchwühlt,
Ist fürstliche Freude, ist männlich Verlangen,
Erstarket die Glieder und würzet das Mahl.
Wenn Wälder und Felsen uns hallend umfangen,
Tönt freier und freud'ger der volle Pokal!
Jo, ho! Tralalalala!

Ottokar
Genug der Freuden des Mahls, werte Freunde und Jagdgenossen! Ich genehmige sehr gern die Wahl, welche Ihr, mein alter wackerer Kuno, getroffen habt. Der von Euch erwählte Eidam gefällt mir. Wo ist die Braut? Ich habe so viel zu ihrem Lobe gehört, daß ich auf ihre Bekanntschaft recht neugierig bin.

Kuno
Der Zeit nach muß meine Tochter bald hier sein. Doch wollt Ihr mir gnädig Gehör schenken, Herr Fürst, so laßt den Probeschuß vor ihrer Ankunft ablegen. Der Bursch hat seit einiger Zeit ganz besonderen Unstern gehabt. Ich fürchte, die Gegenwart der Braut könne ihn in Verwirrung setzen.

Ottokar
Wer weiß, Alter, ob's uns beiden am Hochzeitstag besser gegangen wäre? Wohlauf, junger Schütz! Einen Schuß, wie heut früh deine drei ersten, und du bist geborgen! Siehst du dort auf dem Zweig die weiße Taube? Die Aufgabe ist leicht. Schieß!

Agathe
Schieß nicht! Ich bin die Taube!

(Finale)

Chor I
Schaut, o schaut!
Er traf die eigne Braut!

Chor II
Der Jäger stürzte vom Baum!

Chor
Wir wagen's kaum. Nur hinzuschaun!
O furchtbar Schicksal, o Graun!
Unsre Herzen beben, zagen!
Wär' die Schreckenstat geschehn'?
Kaum will es das Auge Wagen,
Wer das Opfer sei, zu sehn.

Agathe
Wo bin ich?
War's Traum nur, daß ich sank?

Ännchen
O fasse dich!

Max und Kuno
Sie lebt!

Max, Kuno und Chor
Den Heil'gen Preis und Dank!
Sie hat die Augen offen!

Chor
Hier dieser ist getroffen,
Der rot vom Blute liegt!

Kaspar
Ich sah den Klausner bei ihr stehn;
Der Himmel siegt!
Es ist um mich geschehn!

Agathe
Ich atme noch, der Schreck nur warf mich nieder.
Ich atme noch die liebliche Luft,
Ich atme noch!

Kuno
Sie atmet frei!

Max
Sie lächelt wieder!

Agathe
O Max!

Max
Die süße Stimme ruft!

Kaspar
Du, Samiel, schon hier?
So hieltst du dein Versprechen mir?
Nimm deinen Raub! Ich trotze dem Verderben!
Dem Himmel Fluch! Fluch dir!

Chor
Ha! Das war sein Gebet im Sterben?

Kuno und Chor
Er war von je ein Bösewicht!
Ihn traf des Himmels Strafgericht!

Chor
Er hat dem Himmel selbst geflucht!

Kuno und Chor
Vernahmt ihr's nicht? Er rief den Bösen!

Ottokar
Fort! Stürzt das Scheusal in die Wolfsschlucht!
Nur du kannst dieses Rätsel lösen;
Wohl schwere Untat ist geschehn!
Weh dir, wirst du nicht alles treu gestehn!

Max
Herr, unwert bin ich Eurer Gnade;
Des Toten Trug verlockte mich,
Daß aus Verzweiflung ich vom Pfade
Der Frömmigkeit und Tugend wich;
Vier Kugeln, die ich heut verschoß,
Freikugeln sind's, die ich mit jenem goß.

Ottokar
So eile, mein Gebiet zu meiden,
Und kehre nimmer in dies Land!
Vom Himmel muß die Hölle scheiden,
Nie, nie, empfängst du diese reine Hand!

Max
Ich darf nicht wagen,
Mich zu beklagen;
Denn schwach war ich,
Obwohl kein Bösewicht.

Kuno
Er war sonst stets getreu der Pflicht!

Agathe
O reißt ihn nicht aus meinen Armen!

Jägern
Er ist so brav, voll Kraft und Mut!

Bauern
O er war immer treu und gut.

Ännchen
Gnädigen Herr' o habt Erbarmen!

Ottokar
Nein, nein, nein!
Agathe ist für ihn zu rein!
Hinweg, hinweg aus meinem Blick!
Dein harrt der Kerker,
kehrst du je zurück!

Heremit
Wer legt auf ihn so strengen Bann?
Ein Fehltritt, ist er solcher Büßung wert?

Ottokar
Bist du es, heil'ger Mann,
Den weit und breit die Gegend ehrt?
Sei mir gegrüßt, Gesegneter des Herrn!
Dir bin auch ich gehorsam gern.
Sprich du sein Urteil; deinen Willen
Will treulich ich erfüllen.

Heremit
Leicht kann des Frommen Herz auch wanken
Und überschreiten Recht und Pflicht,
Wenn Lieb' und Furcht der Tugend Schranken,
Verzweiflung alle Dämme bricht.
Ist's recht, auf einer Kugel Lauf
Zwei edler Herzen Glück zu setzen?
Und unterliegen sie den Netzen,
Womit sie Leidenschaft umflicht,
Wer höb' den ersten Stein wohl auf?
Wer griff' in seinen Busen nicht?
Es finde nie der Probeschuß mehr statt!
Ihm, Herr, der schwer gesündigt hat,
Doch sonst stets rein und bieder war,
Vergönnt dafür ein Probejahr!
Und bleibt er dann, wie ich ihn stets erfand,
Dann werde sein Agathes Hand!

Ottokar
Dein Wort genüget mir.
Ein Hör'rer spricht aus dir.

Alle
Heil userm Herrn, er widerstehet nicht
Dem, was der fromme Klausner spricht!

Ottokar
Bewährst du dich, wie dich der Greis erfand,
Dann knüpf ich selber euer Band!

Max
Die Zukunft soll mein Herz bewähren,
Stets heilig sei mir Recht und Pflicht!

Agathe
O lest den Dank in diesen Zähren,
Das schwache Wort genügt ihm nicht!

Ottokar, Heremit
Der über Sternen ist voll Gnade,
Drum ehrt es Fürsten, zu verzeihn!

Kuno
Weicht nimmer von der Tugend Pfade,
Um eures Glückes wert zu sein!

Ännchen
O dann, geliebte Freundin, schmücke
Ich dich aufs neu zum Traualtar!

Heremit
Doch jetzt erhebt noch eure Blicke
Zu dem, der Schutz der Unschuld war!

Alle
Ja, laßt uns zum Himmel die Blicke erheben
Und test auf die Lenkung des Ewigen baun!

Agathe, Ännchen, Max, Ottokar, Kuno und Heremit
Wer rein ist von Herzen und schuldlos im Leben,
Darf kindlich der Milde des Vaters vertraun!

Alle
Ja, laßt uns die Blicke erheben
Und fest auf die Lenkung des Ewigen baun,
Fest der Milde des Vaters vertraun!
Wer rein ist von Herzen und schuldlos im Leben,
Darf kindlich der Milde des Vaters vertraun!

ENDE


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