1. Eine der Nymphen (am Wasserfall) fordert die übrigen auf, sich zum Tanze zu erheben; nach und nach folgen alle ihrem Beispiele. Ihr Tanz hat die Bedeutung, die auf den Vorsprüngen gelagerten Jünglinge anzulocken; jede nähert sich bald mehr, bald weniger ihrem Geliebten, um ihn zur Teilnahme am Tanze zu reizen: wenn sie ihnen ganz nahe kommen, suchen die Jünglinge sie zu erfassen; die Nymphen weichen ihnen aus und suchen sie durch dieses neckende Spiel nach dem Tanzgrunde herab nachzuziehen. Als sie sämtlich aus der Nähe der Jünglinge sich gleichzeitig mit lustiger Hast nach dem Grunde zurückziehen, finden sie sich plötzlich von bockbeinigen Faunen und Satyren umarmt, welche unversehens aus tieferen Klüften aufgestiegen sind. Sie prallen mit lachendem Schrecken zurück und suchen sich ihnen zu entwinden. Eine der Nymphen, ihrem trägen Geliebten schmollend, zeigt sich aber plötzlich dem sie jagenden Satyr gewogen, um durch Eifersucht ihren Freund zu necken. Ihrem Beispiel folgen die übrigen der Jünglinge, erheben sich nun, kommen nach dem Grunde herab und suchen die Nymphen ihren Nebenbuhlern zu entreißen. Fortgesetztes Necken der Nymphen; wachsender Tumult, ungestüme Jagd auf die Nymphen; immer heftigeres Verlangen; begehrliches Getümmel der Faunen.
2. Die drei Grazien erheben sich: Aglaia zuerst mit einem
Blick auf Venus; ihr folgen die beiden Schwestern. Sie
schwingen sich leicht inmitte des Getümmels, zur Wahrung
der Anmut und der gefühlvollen Schicklichkeit auffordernd.
Es gelingt ihnen bald, die Jünglinge um sich zu versammeln
und traulich an sich anzuziehen. Die Faunen suchen lüstern
durch die Gruppe der Jünglinge bis zu den Grazien durchzubrechen: einzelne, vor ihnen anlangend, schrecken sie verdrießlich
vor dem Ernst ihrer Mienen zurück und suchen
sich wieder auf die Nymphen zu stürzen; diese verhöhnen
und necken sie, den Jünglingen sich zuwendend: auf Aglaias
Befehl ziehen die Faunen ergrimmt und rachedrohend sich
zurück und verschwinden im Hintergrund nach rechts.
Aglaia belehrt nun durch ihren anmutigen Tanz die Nymphen,
durch welche Weisen sie sich ihres Reizes für die
Geliebten zu versichern haben: ihrem Tanze schließen sich die
beiden Schwestern in den mannigfaltigsten, edelsten Verschlingungen an.
Die große Macht dieser Lehre zeigt sich
alsbald. Die Nymphen suchen sie nachzuahmen; ihrem
Tanze schließen sich die Jünglinge an. Unter dem Vortanz
der Grazien nimmt der allgemeine Tanz einen immer ruhiger
anmutigen Charakter an, in welchem das Liebessehnen sich
nur zart und weich ausspricht. Als die Grazien alle Paare um
sich im Halbkreis zu einer anmutigen Stellung vereinigt haben,
bricht von der Höhe des Wasserfalls ausgehend ein immer
hellerer Regenbogen aus, auf welchem Iris über die
Gruppe hinweg sich bis in Venus' Nähe herabläßt,
von dieser einen Wink der Zufriedenheit erhält, welchen sie, bis zur
Mitte zurückschwebend, der zu ihr aufblickenden Aglaia
überbringt: dankend verneigt sich diese gegen Venus und
zaubert durch einen Handwink folgenden Anblick hervor:
Der Regenbogen erblaßt schnell und Iris verschwindet; statt
dieser erscheint in der Höhe Diana (als Luna) im Gewölk,
welches von Dianas Mondsichelwagen bald immer mehr erleuchtet
wird: anmutige Mondnacht; Diana entsteigt ihrem
Wagen und schwebt tiefer herab auf eine niedere Anhöhe,
auf welcher ein schöner Jüngling (Endymion) schlummernd
ausgestreckt liegt. Während Diana ihn mit dem Ausdruck
des schwärmerischen Wohlgefallens betrachtet, läßt sich aus
dem fernsten Hintergrunde der Gesang der Sirenen vernehmen:
Naht euch dem Lande usw.
Diana neigt sich tiefer
und drückt einen Kuß auf Endymions Lippen. Vollendetster
Moment der Anmut im Ausdruck der Gruppen der Liebespaare.
Aglaia und ihre beiden Schwestern haben sich wieder
vor Venus' Lager niedergelassen, mit Befriedigung ihr Werk
betrachtend.
3. Plötzlich hört man wildes Geräusch aus dem
Hintergrunde nahen. Das Bild Dianas und Endymions verschwindet schnell.
Die Liebespaare fahren auf: die ganze Szene
nimmt wieder den ersten Charakter an; nur der Wasserfall
verdunkelt allmählich und scheint immer wilder zu strömen.
Aus der Biegung des Hintergrundes dringt nun folgender wilder
Zug in die Szene. Die Faunen voran, den Nachfolgenden
zuwinkend und sie antreibend; dann das wilde Heer der Bacchantinnen und Mänaden; Silen und die Satyren. Sie durchziehen in unregelmäßigem, wilden Tumulte die Szene, die
Liebespaare flüchten sich auf die Felsvorsprünge. Eine Schar
von Mänaden zerrt einen schwarzen Bock bei den Hörnern
herbei: Jauchzen begrüßt ihn von allen Seiten. Man schleppt
ihn an den Rand des Wasserfalls und bereitet ihn unter trunkenen
Gebärden zum Opfer. Mit einem Stahl gestochen,
wird er schnell in den Wasserfall geworfen, welcher sofort
eine blutrote Farbe annimmt, während der übrige Vordergrund
von einer gelblichen Beleuchtung erhellt wird. In dem
endlich glühend rot leuchtenden Wasserfall erscheint auf einem
in der Mitte des Falles hervorragenden Felsstein der
Strömkarl (nordischer Wassergeist), ältlich an Gestalt und
von mild jovialem Ansehen, mit einem unförmlichen Saiteninstrument, ähnlich einer Geige. Alles grüßt ihn jubelnd
und reiht sich zum Tanze. Der Strömkarl fährt nun mit dem
Bogen über die Fidel und beginnt aufzuspielen. Erst einzelne,
dann immer mehr, endlich alle im wilden Zuge Gekommenen erfassen sich
und reißen sich zu einem immer ausgelasseneren Tanze fort;
die Weise des Strörnkarl verlockt selbst
die Liebespaare: die Nymphen kommen zuerst herab und
stürzen sich in den Tanz; ihnen folgen die Jünglinge. Die
Paare mischen sich nach den buntesten Kontrasten, wild,
ohne Unterschied. Aus dem Hintergrunde kommen endlich
alle mythologischen Tiere hereingejagt: große Katzen, Tiger,
Panther, beritten und unberitten, nehmen am Tanze teil;
Greife, halb Löwen, halb Adler: riesige Vögel mit menschlichen Leibern, andere Vögel mit menschlichem Oberleibe - Sphinxe.
Die Grazien die dem immer wachsenden Taumel
mit Furcht zugesehen, erheben sich und werfen sich verzweiflungsvoll
in das Getümmel; da entspringt dem Hintergrunde eine Schar
Kentauren und bricht sich taumelnd Bahn.
Venus erhebt sich daselbst und weckt mit einem
Wink die schlummernden Amoretten. Sogleich flattern diese
auf, verteilen sich fliegend über die Breite der Szene und
schießen einen unaufhörlichen Hagel von Pfeilen auf die
Tanzenden ab. Wütendes Liebessehnen bemächtigt sich
plötzlich der Getroffenen; im wilden Durcheinander gepaart,
beginnen die Haufen sich zu flüchten. Selbst die Grazien
sind getroffen: wehrlos geworden, werden sie von den
Kentauren bewältigt, von denen jeder eine der Grazien sich
auf den Rücken schwingt und so mit ihr davonjagt. Die
Flucht wird immer allgemeiner. Die Jünglinge mit Bacchantinnen, die Nymphen mit Faunen und so die übrigen ähnlich
gepaart eilen davon; andere Paare sinken ermattet auf den
Vorsprüngen nieder. Die Amoretten verfolgen die Fliehenden,
in der ganzen Breite der Bühne dem Hintergrunde zuschwebend. Zugleich sinkt rosiger Duft herab, welcher, anfangs feiner und durchsichtiger, allmählich sich immer mehr
verdichtet, in der Weise, daß endlich die ganze Bühne in ihm
verhüllt wird und nur der nächste Vordergrund mit Venus
und Tannhäuser von milderem rosigen Lichte erleuchtet
sichtbar bleibt. Zu gleicher Zeit hat sich der hörbare
Ungestüm immer mehr verzogen: eine berauschende träumerische
Ruhe hat sich ausgebreitet. Wie aus weiter Ferne hört man
den Gesang der Sirenen, als durch den dichteren Duft ein
sanfter bläulicher Schein aufdämmert, in welchem das
entfernte Bild der Entführung Europas sich zeigt. Auf dem
Meere, umgeben von Delphinen und Nereiden, schwimmt
ein weißer mit Blumen geschmückter Stier, auf welchem
Europa mit der einen Hand am Horn sich festhaltend sitzt. Der
Duft schließt sich wieder; bald aber teilt er sich wieder nach
einer anderen Seite zu und zeigt das Bild Ledas am Ufer eines
Teiches ruhend: der Schwan schwimmt auf sie zu, schwingt
seinen Hals nach ihr, den Leda liebkosend an sich biegt. Als
auch dieses Bild wieder zerrinnt, bleibt die Bühne einige Zeit
ohne alle Bewegung. Endlich zuckt Tannhäuser aus seiner
nicht verlassenen anfänglichen Stellung mit dem Haupte
auf.
transcribed by Mike Richter and Rick Bogart